Westmoreland 4 Das Wunder der Liebe
Saison in London nie diskutiert worden.
Juliannas Vater war zwar ein Baronet, aber seine Vorfahren hatten das Vermögen und den Landbesitz, der zu diesem Titel gehörte, längst durchgebracht. Das einzige Vermächtnis seiner Ahnen bestand in einem liebenswürdigen und umgänglichen Charakter, der ihn in die Lage versetzte, die Probleme des Lebens zu ignorieren und sich seiner Vorliebe für Wein und stärkere Alkoholika hinzugeben. Er verspürte nur selten das Verlangen, seinen Lieblingssessel zu verlassen, geschweige denn das kleine Dorf, in dem er geboren worden war. Doch das schützte ihn nicht vor der Entschlossenheit seiner Frau und ihren Ambitionen für die kleine Familie.
Und Julianna letzten Endes auch nicht.
Drei Wochen, nachdem Julianna ihre Erbschaft erhalten hatte, rief ihre Mutter die gesamte Familie im Salon zu einer unerwarteten Besprechung zusammen. »Julianna«, rief sie »dein Vater und ich haben dir etwas zu sagen! « Sie hielt inne und strahlte Juliannas Vater an, der unverwandt weiter Zeitung las. »So ist es doch, John, oder? «
»Gewiß, meine Taube«, murmelte er, ohne aufzublicken.
Nach einem tadelnden Blick auf Juliannas jüngere Brüder, die sich um den letzten Keks zankten, faltete sie entzückt die Hände und richtete ihre Augen auf Julianna. »Es ist alles arrangiert! « verkündete sie. »Gerade habe ich einen Brief von dem Besitzer eines kleinen Hauses in einer ehrbaren Gegend Londons erhalten. Er ist bereit, es uns gegen den kärglichen Betrag, den ich ihm bieten konnte, für den Rest der Saison zu überlassen! Ich habe eine Miss Sheridan Bromleigh engagiert, die dir als Zofe und gelegentliche Begleiterin zu Diensten sein wird. Sie wird uns auch bei der Beaufsichtigung der Jungen helfen. Sie ist Amerikanerin, aber man muß nun einmal gewisse Zugeständnisse machen, wenn man keine anständigen Löhne zahlen kann.
Deine Roben waren zwar sehr kostspielig, aber die Frau des Vikars versicherte mir, daß die von mir engagierte Modistin recht fähig ist, auch wenn sie sich vielleicht nicht unbedingt mit den raffinierten Schnitten auskennt, die bei den jungen Ladies der Gesellschaft en vogue sind. Andererseits darf man nicht vergessen, daß nur wenige von ihnen deine Schönheit besitzen dürften, daher gleicht sich das aus. Eines Tages wirst du die Roben besitzen, die deinem Aussehen entsprechen, und dann werden dich alle beneiden. Du wirst Schmuck haben, Pelze, Kutschen und Diener, die dir jeden Wunsch von den Augen ablesen... «
Zunächst war Julianna von der Aussicht auf eine preiswerte Unterkunft in London begeistert gewesen, aber neue Roben und eine Zofe überstiegen das Familienbudget bei weitem. »Ich verstehe das alles nicht, Mama. Was ist denn geschehen? « Sie fragte sich, ob vielleicht ein ihr unbekannter Verwandter gestorben war und ihnen ein Vermögen hinterlassen hatte.
»Es ist mir gelungen, deine kleine Erbschaft einem großartigen Zweck zuzuführen, das ist passiert«, entgegnete ihre Mutter. »Und zwar einem, der sich mit Sicherheit auszahlt. «
Julianna wollte protestieren, bekam für den Moment aber kein Wort heraus - ein Umstand, den Lady Skeffington offenbar für stumme Begeisterung hielt.
»Ja, es stimmt! Du wirst die Saison in London verbringen, und wir werden dafür sorgen, daß du dort die richtigen Leute kennenlernst. Ich bin fest überzeugt davon, daß du etliche bedeutende Gentlemen so bezaubern wirst, daß sie dir glänzende Anträge machen werden. Vielleicht sogar den Earl of Langford, dessen Vermögen geradezu schwindelerregend sein soll. Oder Nicholas du Ville, der einer der reichsten Männer in England und Frankreich ist und von einem Verwandten seiner Mutter einen schottischen Titel erben wird. Ich habe aus mehreren vertrauenswürdigen Quellen erfahren, daß der Earl of Langford und der Earl of Glenmore - wie du Ville dann heißen wird - die zwei begehrenswertesten Junggesellen von ganz Europa sind! Stell dir doch nur vor, wie die Gesellschaft Julianna Skeffington beneiden wird, wenn es ihr gelingt, einen dieser beiden Männer zum Ehemann zu gewinnen. «
Julianna konnte förmlich hören, wie ihre Träume zu ihren Füßen zerschellten. »Ich will keinen Ehemann! « rief sie. »Ich möchte reisen, lernen und schreiben, Mama. Ich glaube, ich könnte eines Tages wirklich einen Roman schreiben. Grandmama sagte immer, ich könne sehr gut mit der Feder umgehen. Bitte, lach nicht! Du mußt das Geld wiederbekommen. Du mußt! «
»Mein liebes, törichtes
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