When the Music's Over
würde vermutlich keinen Unterschied machen. Seit er auf Sklak war, lebte er sowieso mit geliehener Zeit. Pierce grinste zynisch. Früher hätte er nicht mal in Klischees gedacht, jetzt lebte er sie.
Pierce wartete noch eine viertel Stunde, bis die Sonne untergegangen war. Das grüne Wasser vertiefte seine Färbung und sah gleichzeitig geheimnisvoll und verlockend aus, und bis auf den Schlepper blieb der Horizont ruhig. Hätte sein Radar noch funktioniert, vielleicht wäre ihm das kleine Boot aufgefallen, das sich aus dem Schatten des gigantischen Schleppers löste. Doch so wässerte er noch mal seine Maske, schnallte den Tank um und ließ sich rücklings von der Tauchplattform fallen.
Direkt unter ihm lag der Friedhof. Von der UNO versenktes Kriegsmaterial aus Somalia, Angola und wie die ganzen afrikanischen Staaten sich damals genannt hatten. Die meisten waren in der Großen Moslemischen Republik aufgegangen. Zurück blieben mehrere hundert Quadratmeilen geschmolzener Sahara-Sand – atomares Niemandsland, wie so viele Orte auf diesem Planeten. Nicht zum ersten Mal fragte sich Pierce, was die Aliens ausgerechnet an diesen Ort des Untergangs gelockt hatte. Dabei kannte er die Antwort längst – Geschäfte.
Alles drehte sich um Geschäfte, sie waren auch der Grund dieses Tauchgangs. Nur wusste Pierce zu gut, wohin der Gewinn dieser Aktion, sofern er fündig wurde, gehen würde.
Aus irgendeinem verrückten Grund liebten sie Kriegsrelikte. Vielleicht gaben sie ihnen das Gefühl, die Erde doch noch irgendwie im Kampf unterworfen zu haben. Eine verrostete Panzerfaust, eine bunt beschriftete Abwehrrakete bedeuteten für Pierce, dass er seinen Drogenvorrat auffüllen konnte. In Zeiten wie diesen blühte der Tauschhandel. Nur gab es für die dummen Eingeborenen diesmal keine Glasperlen und verseuchten Wolldecken. Die Vierfinger wussten, wie man eine Spezies ausrotten konnte und dabei noch Profit machte.
Gemächlich ließ er sich sinken. An dieser Stelle war er schon öfter fündig geworden. Er ließ seinen Scheinwerfer über die Metallgerippe einiger ineinander verkeilter Leopard streichen. Der ockerfarbene Tarnanstrich ließ die Panzer wie eine Kolonie sich paarender Riesenschildkröten aussehen. Pierce konnte neben dem blauen UNO-Logo die Farben Schwarz-Rot-Gold erkennen. Stimmt, der Leopard war ein deutsches Modell gewesen.
Deutschland, da waren die Runners oft auf Tournee gegangen – Hamburg, Berlin, Düsseldorf. Sie hatten dort auch auf Festivals gespielt, und einmal hatte Blue von der Bühne aus ein Mädchen angemacht, und später war sie mit ihnen in den Tourbus gestiegen. Sie hatte kurze rote Haare gehabt und war eigentlich überhaupt nicht Pierce’ Typ gewesen. Aber er hatte sie Blue ausgespannt, einfach weil er es konnte. Blue hatte ihn nur angesehen und irgendwie war ihm dieser Augenblick als der Anfang vom Ende im Gedächtnis geblieben. Er konnte sich nicht mehr erinnern, ob das vor oder nach Louisa gewesen war.
In die Fahrzeuge zu steigen, um sie nach etwas Wertvollem abzusuchen, schien ihm zu riskant. Zu leicht konnte sich sein Atemschlauch an den durchgerosteten Kanten verfangen oder der ganze Aufbau über ihm zusammenbrechen. Schade. Er ließ den Scheinwerfer noch einmal über die Panzer wandern und störte eine Fischschule auf.
Deutschland, ob’s das überhaupt noch gab? In diesem Jahrhundert wurden die Landkarten alle fünf Minuten neu geschrieben. Verrückt, sogar auf dem Mars hatten die Großmächte schon ihre Territorien markiert – kurz bevor die Aliens kamen. Jetzt waren die Sterne so weit entfernt wie der Rand der Milchstraße.
Nach dreißig Minuten stieg er wieder nach oben. Er hatte die restlichen seiner selbst eingeteilten Planquadrate abgesucht – vergeblich. Nun saß er unter Deck und starrte auf seine abgegriffenen Seekarten. Hier unten hätte er nicht mal ein Navigationsprogramm in den Bordcomputer eingeben können, sofern er einen gehabt hätte, da die entsprechende Technologie nie bis hierher gelangt war. Doch es störte ihn nicht. Das zerknitterte Papier zwischen den Fingern zu fühlen und sich seinem Kompass und den Sternen anzuvertrauen hatte etwas Verwegenes, so wie sein ganzes Dasein. Vom Rockstar zum Schatzsucher, wer konnte schon solch einen Lebenslauf vorweisen?
Er überlegte, ob er weiter rausfahren sollte, um an anderer Stelle noch einmal abzusteigen. Doch bei Nacht war das Risiko zu groß, dass er Piraten oder dem Planktonschlepper zu nahe kam. So griff er sich
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