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When the Music's Over

When the Music's Over

Titel: When the Music's Over Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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Einsamkeit würgend. Skadi murmelte Beruhigendes, so als spräche sie zu einem Welpen, der zum ersten Mal über eine Eisscholle kriecht. Schließlich gelangten sie an eine Klapptür. Sie stemmten sich mit dem Rücken dagegen. Die Klapptür öffnete sich, zäh wie Sirup gegen den Wind. Skadi und der Junge krochen auf das Dach, krallten sich mit den Fingernägeln in die poröse Dachpappe. Im Windschatten eines abgebrochenen Kamins hielt Skadi inne. Sie klinkte die Kletterleine an ihrem Rucksack aus und schnürte alles Bewegliche zusammen: sich selbst, den Jungen und seine alberne Tasche. Durch das Brummen des Sturmes versuchte sie ihn zu erreichen, flüsterte tröstende Worte in sein Ohr. Und irgendwann schliefen sie sogar ein.
    Die blecherne Stimme weckte sie. Sie krochen zum Rand des Vorsprungs und spähten in die Tiefe. Alles war grau. Der Himmel über ihnen und der Boden. Nein, es war nicht der Boden, sondern eine endlos scheinende Wasserfläche. Und irgendwo am Horizont begegneten sich die Graus.
    Ein einsames Boot glitt über das Wasser. Es hatte Segel gesetzt. Skadi kniff die Augen zusammen und versuchte die Schrift auf dem Segel zu entziffern. »ERWACHET«.
    Die blecherne Stimme war eine Bandaufnahme. Immer und immer wieder schepperten die gleichen Phrasen zu ihnen herüber. »Apokalypse, Armageddon, Allmächiger« – lauter vollvokalige Worte, flach geklopft durch eine schlechte Lautsprecheranlage und den Nebel.
    Skadi schrie, bis sie heiser war. Doch die blecherne Stimme ignorierte sie. Gravitätisch glitt das Boot über das endlose Grau.
    Der Junge begann zu quengeln: »Ich will hier weg« und »Ich hab Durst«. Es schien fast so, als hätte Skadis Anwesenheit ihn wieder zu dem gemacht, was er eigentlich war – ein Kind. Die Jahre des schnellen Erwachsenwerdens um des Überlebens willen waren vergessen.
    Was sollte sie nur mit ihm anfangen? Sie war doch selbst noch damit beschäftigt herauszufinden, was es mit dem Erwachsenwerden auf sich hatte. Daheim in Svalbard wurden die Kinder, wenn es um Fragen des Überlebens ging, sehr schnell erwachsen. Doch ihr Geist war immer noch wie ein Schwamm, der alles Neue aufsog.
    Quengelnd hatte der Junge ihren letzten Planktonkeks verdrückt. Er weigerte sich, das Dörrfleisch zu essen, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass es Robbenfleisch war. Was hatte er denn erwartet? Als sie gegessen hatten, erzählten sie sich ihre Geschichte. Es war wie ein zaghaftes Sich-kennen-Lernen. Skadi erfuhr, dass er sich über Monate fast ausschließlich von Schokoriegeln ernährt hatte und wie er Tante Clara-Susanna Della Rosa und den reisenden Schauspielern begegnet war. Garfield wiederum lauschte kopfschüttelnd ihren Geschichten über Palle, Åsgård und die anderen Bewohner von Longyearbyen.
    Als am Nachmittag das diffuse Winterlicht verblasste und es so aussah, als würden sie noch eine weitere Nacht auf dem Dach festsitzen, trafen sie eine Übereinkunft – immer vorausgesetzt, es gelänge ihnen, sich aus ihrer derzeitigen Lage zu befreien. Erstens, bis auf weiteres als Team zusammenzubleiben, und zweitens, das nächste Ziel ihrer Reise den Zufall bestimmen zu lassen.
    Stunden später kam wieder ein Boot. Sie hörten es mehr, als dass sie es sahen. Es war ein Speedboat der Wasserpolizei. Es ankerte direkt vor dem Gebäude, Taucher sprangen ins Wasser und ließen sich in die Dreckbrühe sinken. Die ganze Aktion wurde von einem VID-Team aufgenommen. Skadi vermutete, dass sie von dem Angriff der Vierfinger gehört hatten und womöglich nach Überlebenden suchten. Nun, Überlebende sollten sie finden: einen heimatlosen Jungen namens Garfield und eine junge Frau aus Spitzbergen auf der Suche nach dem großen Abenteuer.
    Das VID-Team schloss die beiden ins Herz. Energiedrinks wurden im Tausch gegen Infos angeboten. Skadi gab das erste Interview ihres Lebens. Sie fand, dass sie ihre Sache recht gut machte, besonders was den dramatischen Teil ihres Berichtes anbelangte. Schließlich hatten die Grönländer das Geschichtenerzählen über Jahrhunderte als Überlebenswerkzeug gegen Perlerorneq – so nennen die Eskimos die Winterdepression, wenn es von November bis Februar dunkel ist – entwickelt.
    Der VID-Operator erzählte, ihre nächste Station sei Berlin. Skadi und Garfield wechselten Blicke des Einvernehmens. Also – Berlin sollte es sein.
    Das Speedboat setzte sie auf einem provisorischen Deich im Hinterland ab. Der Sturm war mit Einzug der Ebbe abgeflaut, doch niemand rechnete damit,

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