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When the Music's Over

When the Music's Over

Titel: When the Music's Over Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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als wäre in ihren Worten ein tieferer Sinn verborgen. Für Pierce klang sie einfach nur konfus.
    »Und dann fanden wir raus, das die verfluchten Vierfinger hinter all dem steckten.«
    Pierce wurde plötzlich etwas schwindelig. Er hatte das Gefühl, als befände er sich auf einmal in einer völlig anderen Geschichte, hatte aber den Zeitpunkt des Wechsels verpasst.
    »Die Vierfinger?« Wenn es ihm gelänge, eine gewisse Linearität in ihren Bericht zu bringen, würde vielleicht auch der Schwindel aufhören.
    »Die kleinen Scheißerchen haben da draußen auf dem Meer irgendein Ding am Laufen«, nuschelte sie.
    »Warum erzählst du mir das?« Pierce sah plötzlich den komischen Zauberhut auf dem Meeresgrund vor sich. Was auch immer diese Frau in ihrer Trunkenheit von sich gab – er kannte auch eine Geschichte über das Bermuda-Dreieck und sie machte ihm höllische Angst.
    »Weil Durchreisende meine einzigen Zuhörer sind«, sagte sie schlicht. Sie beugte sich zu ihm und flüsterte: »Ich hab bei mir zu Hause eine Flasche echten Gin, hab sie gestern erst eingetauscht.«
    Pierce senkte den Blick und starrte auf ihre Brüste. Da sah er es, auf ihren Schultern: seltsame, kreisrunde Wunden wie kleine, entzündete Einschusslöcher. Er wich hastig zurück. Die Wunden begannen sich um sich selbst zu drehen, wirbelten wie winzige Spiralgalaxien, wurden zu schwarzen Löchern, die ihn einsaugen wollten. Erneut wurde ihm schwindelig.
    »’schuldigung. Glaub, ich muss kotzen«, murmelte er und taumelte ins Freie.

    Pierce hätte nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war, seit er in die enge Gasse getaumelt war, um sich die Seele aus dem Leib zu kotzen. Irgendwann war die Frau gekommen, sah ihn im Dreck sitzen und half ihm auf die Beine.
    Sie sagte: »Dich kann man auch nicht aus den Augen lassen«, und schlug vor, er solle bei ihr bleiben, bis es ihm besser ging. Ihm war, als hätte er sich dagegen gesträubt, an den Grund seines Protestes konnte er sich aber nicht mehr erinnern.
    Am nächsten Morgen fühlte er sich gut, nein, er fühlte sich großartig. Euphorisch und voller Power. Wie konnte das angehen? Eigentlich musste ihm doch spuckübel sein. Stattdessen hatte er einen brüllenden Hunger.
    Er setzte sich auf und sah sich um. Was für eine Bruchbude! Er merkte, dass er nackt war – seine Klamotten waren auf dem schmutzigen Boden verstreut.
    »Pierce, Junge«, sagte er sich, »du musst mit der Sauferei aufhören. Wenn schon Drogen, nimm die teuren.«
    Abwesend kratzte er die Stelle zwischen Hals und Schulterrundung. Das Jucken verschlimmerte sich, wurde zu einem schmerzhaften Brennen. Scheiße, was war das? Er tastete die Stelle ab, spürte klebrige Körperflüssigkeit an den Fingern. Blut und noch etwas anderes, Galertartiges. Was zum –? Ihm wurde wieder schwindelig. Er würgte sauren Mageninhalt hoch.
    Pierce versuchte zu fokussieren – dabei ahnte er fast, was er sehen würde, hoffte jedoch inständig, dass ihn seine Ahnung trügen würde. Vergebens. Er starrte in seine Halsbeuge, das kreisrunde, wunde Loch starrte wie ein totes Auge zurück.
    Der Adrenalinstoß ließ ihn endgültig munter werden, brachte ihn auf die Beine und in seine Klamotten. Die Frau, wo war sie – was hatte sie mit ihm gemacht? Pierce schrie und fluchte. Unbändige Wut überkam ihn. Wut, die ein Ventil brauchte. Systematisch zerschlug er jeden Gegenstand in der armseligen Wohnung. Zertrümmerte die billigen Möbel, zerfetzte die Bettdecke, schlitzte die Matratze auf und zerriss die bunten, abgetragenen Kleider der Frau.
    Schwer atmend stand er in dem Chaos. Er fühlte sich besser, aber dieser Zustand verging schnell. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Es musste doch etwas geben, was er tun konnte. Die Frau finden – nein, die hatte sich vermutlich längst abgesetzt. Dann die Kneipe, vielleicht war sie dort bekannt. Er war bestimmt nicht ihr erstes Opfer gewesen. Doch Opfer von was – einer unbekannten Seuche? Einen Arzt, er brauchte einen Arzt.

    Einen Arzt fand er nicht, aber einen Heilkundigen – wie sich diese Leute gerne nannten und wie auch auf dem handgemalten Türschild zu lesen war. Für Pierce klang es wie ein Euphemismus, aber er konnte es sich nicht leisten, wählerisch zu sein, zumal aus dem lästigen Jucken wieder ein schmerzhaftes Brennen geworden war.
    Der Heilkundige – mit seinem langen, fleckigen weißen Kittel, dem schlammfarbenen Afro und den Schmucknarben sah er aus wie eine Mischung aus verrücktem

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