When the Music's Over
programmierte das Gasgemisch seines Rebreathers. Dann kletterte er auf den Ausleger und erklärte Skadi, wie sie den Schwenkkran zu bedienen hatte.
Mit einem viel zu harten Ruck wurde die Taucherglocke angehoben. »Du musst sie langsam kommen lassen«, brüllte Pierce, »sonst ist zu viel Spannung auf dem Seil.«
»Ich versuch’s ja«, brüllte Skadi zurück, die auf einmal furchtbar nervös war und das nicht nur wegen des bevorstehenden Tauchgangs. Die Luft schien auf einmal statisch aufgeladen zu sein, sie sah, wie sich die Haare an ihren Armen aufrichteten. »Da kommt ein Sturm auf«, rief sie zu Pierce hinunter. »Ist es denn sicher zu tauchen?«
»Da unten merkst du davon nichts. Mach einfach weiter.«
Als die Taucherglocke herabsank, lehnte er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die pendelnde Kugel, damit sie nicht auf den Ausleger krachte. Mit einem satten Platschen schlug sie stattdessen auf der Wasseroberfläche auf.
»Bist du da oben so weit, Skadi?« Er beugte sich zum Wasser runter und spülte seine Taucherbrille aus. Und über die Schulter rief er: »Vergiss die Kamera nicht.«
»Hab sie.« Etwas außer Atem stand sie neben ihm auf dem schwankenden Ausleger und umklammerte mit einer Hand die Verstrebung. »Warum nehmen wir nicht die Plattform?«
»Gut möglich, dass wir einen schnellen Abgang machen müssen. Da bremst uns das Ding nur.« Er ignorierte ihre besorgten Blicke, angelte nach dem Halteseil und klappte die Taucherglocke auf. »Hüpf rein.«
Skadi stellte zaghaft ein Bein ins Innere, unsicher, ob sie es wagen konnte, den Griff um die Verstrebung zu lösen.
»So geht das nicht. Gib mir die Kamera.«
Schließlich hockte Skadi in der bauchigen Kugel. Pierce reichte ihr die Kamera.
»Denk dran – immer draufhalten, egal was passiert. Ich glaube nicht, dass wir noch eine zweite Chance bekommen.« Er griff nach der Einstiegsluke und hielt kurz inne. »Du weißt noch die Signale?« Skadi nickte. Pierce verriegelte den Einstieg, klinkte die Kugel aus, ließ sich ins Wasser fallen und folgte Skadi nach unten.
Als es vor den runden Bullaugen stetig dunkler wurde, kamen Skadi schon einige seltsame Gedanken. Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte sie noch sicheren Boden unter den Füßen gehabt und jetzt? »Wir spielen ein bisschen Captain Nemo«, hatte Pierce gesagt. Und nun spielte sie mit. Dabei wusste sie überhaupt nicht, wer dieser Nemo war. Diese Europäer und ihre seltsamen Allegorien würden ihr wohl ewig ein Rätsel bleiben.
»Immer draufhalten«, lautete Pierce’ Anweisung. Aber sie wusste immer noch nicht, was sie da unten eigentlich erwartete.
»Besser, du weißt es nicht. So kannst du dir selber ein Bild machen.«
»Aber werde ich denn wissen, worauf ich zu achten habe?«
»Du wirst. Da sei ganz unbesorgt.«
Und während sie so nach unten schwebte, wurde ihr auf einmal klar, warum Pierce sie dabeihaben wollte. Er brauchte eine Zeugin. Da unten war etwas so Unglaubliches, dass er seinen eigenen Augen nicht traute.
When The Music’s Over – Turn Out The Lights
»Wenn dieser Gig vorbei ist, sind wir weg«, sagte Toto.
Blue schrak zusammen. All die Wochen hatte er damit gerechnet, doch als es so nebenbei ausgesprochen wurde, konnte er es nicht fassen.
Toto schaltete den Amp ab und stöpselte seinen Bass aus. Alles geschah beiläufig, automatisch, Bewegungsabläufe, die er schon hundertmal ausgeführt hatte. Aber auf einmal hatte jede Geste eine Bedeutung, wirkte endgültig.
Shell hockte auf dem Boden und zog neue Saiten auf seine Strat. Er wirkte, als würde ihn all dies schon längst nichts mehr angehen. Seit ihrem letzten heftigen Wortgefecht hatte er sich geweigert, auch nur mit Blue zu reden. Und dabei konnte Blue sich nicht einmal mehr erinnern, worum es bei diesem Streit gegangen war. Auf einmal hatte er das Gefühl, dass es unglaublich wichtig war, die Ursache ihres Zerwürfnisses zu ergründen. Vielleicht war das der Punkt ohne Wiederkehr gewesen. Und wenn er vor diesen Punkt zurückgehen konnte – vielleicht –
»Können wir nicht darüber reden?« Er hörte, wie hilflos er klang.
»Es ist vorbei, Mann. Kapier’s doch endlich!« Toto klang verächtlich. Jegliches Zusammengehörigkeitsgefühl war aus seiner Stimme, aus seiner Körpersprache verschwunden. Sie waren jetzt drei Einzelwesen, keine Band.
»Aber – was soll denn werden?« Er musste es wissen, wollte aus ihrem Mund hören, dass sie ihn nicht mehr brauchten.
»Wir steigen bei den
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