Whiskey für alle
kleineren und größeren Orten der näheren Umgebung schossen Fabriken wie Pilze aus dem Boden. Was an Arbeitskräften in der Grafschaft verfügbar war, hatten sie für sich vereinnahmt. Sogar der Landarbeiter, der immer bei ihm gearbeitet hatte, war ihm wegen der günstigeren Schichtarbeit und der Fünf-Tage-Woche untreu geworden. Eine Fünf-Tage-Woche war für die Landwirte geradezu ein Witz. Sie alle hatten Herden von Milchkühen, die vor allem im Sommer täglich gemolken werden mussten.
Als er einmal versuchte, einen Arbeiter anzuheuern, fragte der Mick, ob er ihn für eine Fünf-Tage-Woche einstellen würde. »Im Winter kannst du gern eine Ein-Tag-Woche haben«, erklärte ihm Mick, »aber solange es noch keine Fünf-Tage-Kuh gibt, kann von Fünf-Tage-Woche keine Rede sein.«
Er war sogar so weit gegangen, freie Sonntage während der Hauptsaison anzubieten und ab und an einen freien Tag bei besonderen Anlässen, doch gegen die Verlockungen der Fabriken war kein Ankommen. Er verringerte die Herde auf ein machbares Maß, doch da gab es Grenzen, denn er steckte immer noch tief in Schulden, hatte er doch drei Söhne und zwei Töchter auf Internatsschulen und Colleges geschickt. Er hatte auch noch einen Sohn, der nach ihm Mikey getauft wurde. Das war das schwarze Schaf in der Familie. Nach einem heftigen Streit, weil er sich weigerte, weiter die Schule zu besuchen, war er mit sechzehn eines Morgens verschwunden. Das war fast zehn Jahre her. Mick Henderson kannte die Adresse seines Sohns in England, wusste, dass es ihm als Vorarbeiter in einer Fabrik in Coventry ziemlich gut ging, und wusste auch, dass Mikey ein schlechtes Gewissen hatte, wenn er mal an die Eltern dachte.
Die anderen Söhne hatten kein Gespür für das Land, es interessierte sie nicht. An seinem siebzigsten Geburtstag war er in die Stadt gefahren, um sich mit seinem ältesten Sohn Maurice, einem Rechtsanwalt, zu beraten. Uber eine halbe Stunde hörte Maurice geduldig zu, dann tat er seine Meinung kund.
»Das Sicherste und Vernünftigste, was du machen kannst«, erklärte er sachlich, »verkauf den Hof und zieh her nach Dublin. Und wenn es dir nicht behagt, in der Stadt zu wohnen, hindert dich doch nichts, dir ein hübsches Haus auf dem Lande zu kaufen. Mit dem Geld, das dir der Verkauf von Grund und Boden einbringt, kannst du deine Schulden tilgen, und dir bleibt noch mehr als genug, um sorglos mit Mutter bis ans Ende eurer Tage zu leben.«
Sein zweiter Sohn, Eddie, ein Zahnarzt, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Er betrieb eine kleine Praxis in seinem Ein-Familien-Haus in einem Vorort. Es war schon spät, als Tom bei ihm klingelte, und Eddie steckte immer noch bis über beide Ohren in seiner Arbeit. Lange saßen sie an jenem Abend vor dem Kaminfeuer im Wohnzimmer und sprachen über das Land. Eddie und seine Frau waren herzensgute Menschen, doch eine Lösung für Micks Problem hatten sie nicht zu bieten. Auch sie meinten, das Land zu verkaufen sei der beste Ausweg.
Erst der dritte Sohn, Martin, ein von der Stadt besoldeter Beamter, fasste in Worte, was sich eigentlich von selbst anbot. Mick hatte seine liebe Not, das Haus dieses Sohnes im von Wohnparks übersäten Norden der Hauptstadt aufzuspüren. Er hatte sich ein Taxi genommen, und sie fuhren Reihe um Reihe die neugebauten zweistöckigen Häuschen ab. Nachdem sie einige Male angehalten und sich erkundigt hatten, fanden sie end: lieh die Siedlung und nach weiterem Suchen sogar das Haus. Es stand inmitten hunderter Wohnhäuser, die sich ähnelten wie ein Ei dem anderen.
»Wie, um Himmels willen, kann man hier bloß wohnen?«, hatte er Martin und seine Frau undiplomatisch begrüßt, als sie die Tür öffneten.
»Man gewöhnt sich daran«, hatte Martin gesagt und sich gefreut, den Vater so verwirrt zu sehen.
Nach dem Schrecken des ersten Eindrucks war er vom Inneren des Hauses angenehm überrascht. Es war viel geräumiger, als er erwartet hatte.
»Euer Heim ist ja so was von gemütlich«, stellte er ganz versöhnt fest.
»Und vor allen Dingen wohnen wir nur ein paar hundert Meter von der Schule«, erklärte Martins Frau.
Nach dem üblichen Vorgeplänkel über Wetter und sonstigen Alltagskram kam Mick auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen. Martin und seine Frau hörten ihm voller Anteilnahme zu, während er von den neuen Fabriken redete und davon, dass Arbeitskräfte so knapp waren.
»Verkaufen will ich den Hof auf gar keinen Fall«, sagte er zum Schluss.
»Dann wäre es doch nur
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