Whiskey für alle
Gespräch.
»Ich hab gesehen, wie die ersten Stadtbewohner zum Torfstechen kamen, als der Krieg anfing. In ganzen Scharen sind sie hergekommen, weil die Kohlen knapp wurden. Ich habe ja manches Komische erlebt, aber so etwas wie diese Männer hatte ich noch nie gesehen. Sie hatten Brotscheiben, und dazwischen war Fleisch gepackt. Man konnte richtig sehen, wie das Fleisch am Rand rausquoll. Alles Übrige war von dem Brot darunter und darüber verdeckt. Mich könnte keiner dazubringen, Fleisch zu essen, das ich nicht sehen kann.«
»Das müssen Sandwiches gewesen sein, von denen du da redest«, warf Sir Stafford ein.
»Genau! Genau das war’s, so hießen die Dinger.«
Das Gerede zog sich hin. Man sprach von vergangenen Zeiten, als die Männer für ein paar Kupferpennys oder für bloße Versprechungen arbeiteten und sich nachts oft in ihren Betten wälzten, um den Magen zu beschwichtigen, wenn der vor Hunger knurrte. Sie redeten von landlosen Arbeitern und Kleinpächtern, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schufteten und am Ende nichts hatten als krumme Rücken und verrenkte Glieder. Auch von dem unermesslichen Wert, den Bildung hatte, redeten sie, von aus Büchern geschöpftem Wissen. Das sei der einzige Weg, um von der elenden Schinderei wegzukommen, und sie bedauerten, wie wenig sie in ihre Schulbücher geschaut hatten, weil sie in jugendlichem Überschwang nur ihren Spaß hatten haben wollen.
»Heutzutage verdient ein Schulmeister über ein Pfund pro Tag«, sagte einer, »und muss sich dafür nicht mal bücken.«
»Kein Wunder, dass die überkandidelt sind«, kommentierte Sir Stafford, »so viel Geld muss einem ja zu Kopf steigen.«
Anderswo wurde das Schicksal der Welt entschieden. Im weit entfernten Kairo trafen sich Churchill und Roosevelt mit Tschiang Kai-schek. In Süditalien tobten heftige Kämpfe, da die Alliierten landeten und nordwärts vorstießen. Wir aber saßen schläfrig im Windschatten der Torfmiete und waren für den warmen Sonnenschein dankbar. Das Gespräch verebbte, allen wurde klar, dass es an der Zeit war, weiterzuarbeiten. Später würde noch einmal Pause gemacht werden »für den Abendtee«, wie es hieß. Der bestand aus einem Becher Tee und einer Schnitte Brot mit Butter. Viel Zeit gönnte man sich dabei nicht. Man redete zwar miteinander, doch ein richtiges Gespräch kam nicht mehr so recht auf. Ich wurde losgeschickt, den Esel zu suchen. Weit entfernt hatte der sich nicht, denn gleich am Wegesrand wuchs saftiges Gras und wilder Klee. Er ließ sich auch ohne Widerstand einfangen, als wüsste er, dass noch längst nicht Feierabend und es daher sinnlos war, die ihm gesetzlich zustehende Arbeitsunterbrechung zu verlängern. Ich hatte keine Mühe, ihn vor den Karren zu spannen, und schon bald ging die Arbeit im eingespielten Team weiter. Unser Tempo zog jetzt an, als hätten wir uns darauf verständigt, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Jeder arbeitete verbissen vor sich hin, denn wir mussten uns dranhalten, wenn wir bis zum Abend fertig werden wollten. Nach dem »Abendtee« war zu spüren, dass die alten Männer ermüdeten. Mir ging es nicht anders, aber keiner wollte den Eindruck erwecken, dass er es kaum noch mit voller Kraft schaffte. Erbarmungslos wurde ohne jede Verschnaufpause, die auch keiner verlangte, weitergeschuftet. Lange würde es ohnehin nicht mehr dauern, bis der letzte Torfringel an die Straße geschafft war. Zu sehen, wie ihre Zahl abnahm, war richtig ermutigend.
Die Torfmiete nahm jetzt Gestalt an, ihr ganz besonderes Aussehen konnte ihr nur ein Landmann mit viel Erfahrung verleihen. Dazu gehörte mehr als ein am Zeichenbrett entworfener Aufriss. Man brauchte ein instinktives Gespür für die Landschaft, und wie sich die dunklen Umrisse der Torfmiete, ohne störend zu wirken, darin einfügten. Anstatt herauszuragen, passten sie sich in die Moorlandschaft ein, wie ein Flicken in eine Patchworkdecke. Die Kanten, zum Beispiel, verliefen nicht genau parallel zum Straßenrand. Die dem vorherrschenden Wind aus Südwest zugewandte Seite war viel dichter gepackt als die anderen Wände. Immenses Wissen war erforderlich über die launenhaften Böen und die genaue Richtung, aus der diese Winde bliesen, sollte eine Torfmiete den Winterstürmen standhalten. Schließlich und endlich war jeder Stapel, egal wie hoch und mächtig er war, nur so stark wie sein schwächster Punkt. Von Zeit zu Zeit schritt Mr. Chamberlain bedächtig um sein Bauwerk und kontrollierte,
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