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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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ob sich irgendwo Mängel zeigten. Immer wieder ging er auch ein Stück von der Miete weg und prüfte sie mit kritischem Blick aus der Entfernung. Er betrachtete sie aus jedem Blickwinkel und aus jeder Körperhaltung heraus. Manchmal stellte er sich auf die Zehenspitzen oder lag bald darauf auf dem Boden. Er inspizierte sein Werk aus der Hocke, kniete sich sogar mitten auf der Straße hin, um zu prüfen, ob die nach oben strebenden Seiten die richtige Neigung hatten. Nichts blieb dem bloßen Zufall überlassen. So pingelig hatte er sich noch nie angestellt. Gegen Abend wurde er merklich gereizt, doch als die Miete eine gewisse Höhe erreicht hatte, war er wieder friedlich.
    Sode um Sode, Fuß um Fuß stieg sie in sanfter Neigung aufwärts, bis auch der letzte Eselskarren auf dem festen Weg entleert war. Am Torfstich erinnerten nur noch eine Staubschicht und winzige Krümel an die dort zum Trocknen aufgestellten Soden. Sir Stafford und ich spannten den Esel aus. Der warf sich sofort auf den Rücken, wälzte sich auf der staubigen Straße und iahte laut. Das trieb er eine Weile, dann sprang er auf, schlug mit den Hinterbeinen aus und galoppierte auf den schmalen Damm, wo ein Riesengrasbüschel ihn lockte. An der Torfmiete wurden letzte Handgriffe vorgenommen. Die Außenschicht war tadellos dicht, man hätte nicht einmal einen Grashalm zwischen die Soden stecken können. Auch Sir Stafford ging um das Bauwerk herum, blieb hie und da stehen und bewunderte eine besonders fehlerlos geschlossene Stelle der Abdeckung. Mr. Chamberlain kletterte auf den Eselskarren, hievte sich von da auf die oberste Schicht der Miete und hockte sich breitbeinig hin. Ich stand unten mit einem Armvoll ausgesuchter Soden. Ab und an streckte er die Hand aus, und ich reichte ihm eine Sode. Die nahm er dann oder wies sie auch zurück, wenn ihm ein anderes Stück in Größe und Form besser geeignet schien. Er übertrieb es mit der Genauigkeit, fand ich damals. Heute weiß ich, dass er eigentlich nichts anderes tat als ein gewissenhafter Handwerker, der Soden und Bruchstücke davon mit der gleichen Sorgfalt auswählt, wie ein Dichter Wörter oder Redewendungen sucht, um seine Gedichte makellos zu vollenden.
    Schließlich wurde das fertiggestellte Werk zur Kritik freigegeben. Dabei sollte man daran denken, dass die schärfsten und gerechtesten Kritiker die Winde aus Nordost und Südwest waren. Und die würden nicht lange auf sich warten lassen, um geringste Mängel auszuspähen. Die selbsternannten Kritiker aus dem ganzen Torfstich aber kamen noch am Abend vorbei. Sie waren ja selbst versierte Mietenbauer. Fast alle äußerten sich anerkennend über Mr. Chamberlains Arbeit, abgesehen von ein paar Nörglern, deren eigene Stapel nie und nimmer bei einer gestrengen Überprüfung durchgegangen wären.
    »Die Miete wirft so leicht nichts um«, äußerte sich ein weißhaariger Betrachter.
    »Von wegen >wirft so leicht nichts um<, nie und nimmer wirft die was um«, sagte Sir Stafford Cripps mit Nachdruck.
    Die Tage gingen dahin. Der Herbst zog ins Land und wirbelte die buntgefärbten Blätter umher. Unerwartet wie immer brach der Winter herein, und es wurde so rau und kalt, wie man vorhergesagt hatte. Stürme brausten um die Wette und rasten über das Moor. Die Torfmiete aber blieb unerschütterlich und hielt jedem Ansturm der Elemente stand. Nur ihr Erbauer war nicht ganz so widerstandsfähig. Im Januar zog er sich eine heftige Erkältung zu, und da er auf keine Ratschläge hörte und nicht wie ein vernünftiger Kranker im Haus blieb, bekam er eine Lungenentzündung und musste ins Krankenhaus. Er wurde zusehends schwächer, und an einem Frühjahrsmorgen, als die letzten Wildgänse zum Flug nach Norden abhoben, überraschte ihn der Tod im Schlaf. Bald nach Mr. Chamberlains Hinscheiden befiel Sir Stafford die Grippe, doch die Nachbarn, die sich sorgten, er würde wie sein Bruder dahingerafft werden, sahen ständig nach ihm. Mitte März hatte er sich erholt und ging munter wie eh und je umher. Die Torfmiete blieb das ganze Jahr über ohne die mindeste Beeinträchtigung stehen. Sir Stafford kam mit dem alten Torf aus, der noch im Schuppen hinter dem Häuschen lag. Als die Torfstichsaison erneut im Gange war, heuerte er drei junge Männer aus der Umgebung an, damit sie von seiner Torfbank eine stattliche Reihe von Soden aushoben. Die Miete ließ er unberührt, was auch niemand wunderte. Künstlerisch gesehen, war sie das bestgeformte Exemplar ihrer Art an der

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