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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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rasender Puls verheißt
bei einem Mann vom Umfang eines VW -Käfers bestimmt
nichts Gutes.
    Â»Gott sei Dank«, sagt Lisa.
    Tja, Gott. Der Typ. Hat sich bei der letzten großen Party der
Menschheit nicht blicken lassen. Wer wollte es ihm auch verdenken? Das
Feuerwerk war klasse, aber kurz darauf verabschiedeten sich sämtliche
Teilnehmer.
    Auf der anderen Seite der Küche gibt es eine Besteckschublade. Sie
enthält Brotmesser, Käsemesser, Tomatenmesser, Sägemesser. Ein Fleischermesser
und das Schälmesser für mich. Beide haben scharfe Schneiden.
    Â»Du solltest auch ein Messer mitnehmen.«
    Lisa zieht die Augenbrauen zusammen. »O nein, das ist nichts für
mich.«
    Â»Aber wenn du etwas schneiden musst …«
    Â»Ach so. Ich dachte …«
    Sie starrt in die dünne Luft, über ihren Onkel hinweg. Die Schublade
lockt. Ein Korkenzieher. Durchaus geeignet, um einem Gegner ein Auge
auszustechen. Eine gute Waffe für jemand, der keine Waffen mit sich herumtragen
will.
    Â»Nimm das da«, sage ich. Ihre Finger umschließen die Spirale. Einer
tastet nach der Spitze. Lisa zuckt zusammen. »Nur für den Fall, dass wir eine
Flasche guten Wein auftreiben. Schließlich sind wir in Italien, schon
vergessen?«
    Wir schieben das Rad zwischen uns. Lisa hat eine Hand auf den Sattel
gelegt und lässt sich auf diese Weise führen. Ich halte die Lenkergriffe
umklammert und bestimme den Weg. Sie hat den Korkenzieher wortlos in eine
Tasche ihrer Jeans geschoben und streicht immer wieder über seine Umrisse.
    Die Straße befindet sich mitten im Nichts, aber irgendwohin muss sie
schließlich führen. Also krame ich meinen Kompass hervor und warte, bis die
Nadel nicht mehr ausschlägt. Südosten. Mein Ziel liegt im Südosten. Wenn wir
uns am Tor des Gehöfts nach rechts wenden, gehen wir genau nach Osten. Für den
Anfang ist das gut genug. Sicher stoßen wir irgendwann auf eine Abzweigung in
den Süden.
    Wir reden kein Wort, bis wir den weißen Briefkasten am Straßenrand
erreicht und die alten, halbherzig zu einem Zaun zusammengenagelten Latten
hinter uns gelassen haben.
    Lisa bricht das Schweigen. »Ich hoffe, er fängt sich wieder. Mein
Dad, meine ich.«
    Â»Ganz bestimmt.«
    Â»Er ist mein Vater.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Du hättest ihn umbringen können.«
    Â»Ich hab’s nicht getan.«
    Es entsteht eine Pause. Dann fragt sie: »Warum nicht?«
    Â»Die Welt, die du kanntest, die wir alle kannten, gibt es nicht
mehr. Die Menschheit ist größtenteils tot, und alles, was übrig ist, ist
Sterben.«
    Eine tiefe Furche hat sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet – ein
Graben, gefüllt mit Ahnungslosigkeit.
    Â»Dann verstehe ich dich nicht.«
    Â»Ich lege Wert darauf, ein Mensch zu bleiben.«
    Der Graben vertieft sich noch ein wenig.
    Â»Er hat das getan, weil er mich liebt«, meint sie nach einer Weile.
»Das sage ich mir immer wieder vor, damit ich ihn nicht hasse. Er ist mein Dad,
und seine Eltern darf man nicht hassen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass
ich ihm das schuldete. Es war nicht leicht für ihn, in dieser schlimmen Zeit
für mich zu sorgen, wo ich doch blind bin, und so …«
    Â»Hat er dir das gesagt?«
    Â»Manchmal.«
    Â»Jämmerlich«, fauche ich. » Das hast du ihm
auf keinen Fall geschuldet.«
    Sie zieht sich kurz in ihr Schneckenhaus zurück und taucht dann mit
einer neuen Frage auf.
    Â»Hast du beim Sex schon mal die Augen geschlossen und dir
vorgestellt, du wärst mit einem anderen Mann zusammen?«
    Hatte ich? Vielleicht. In meiner Jugend. Als ich noch keinen Partner
hatte und es mir selber besorgte.
    Â»Klar«, sage ich, um sie zu trösten. »Das machen wahrscheinlich
alle.«
    Â»Ich hab’s versucht. Aber es klappte nie so recht.«
    Â»Schätzchen, was er da mit dir angestellt hat, war weder Sex noch
Liebe.«
    Â»Darf ich dir ein Geheimnis verraten?« Das Fragezeichen ist rein
rhetorisch. Also schweige ich. Als wir die erste in die Landschaft gestampfte
Querstraße erreichen, sagt sie: »Ich glaube, ich möchte trotz allem irgendwann
einen Mann haben. Einen Mann, der mich mag.«
    Â»Das wirst du ganz bestimmt.«
    Â»Hast du auch irgendwelche Geheimnisse?«
    Ich schaue sie von der Seite an und sage mir vor, dass dieses
Mädchen nicht zu Schaden kommen darf, nachdem ich bereits so viele

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