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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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sie Lichtjahre vom Mensch-Sein entfernt war.
    Sarah folgte Miriam ins Schlafzimmer. Miriam legte Leo, deren ge- samter Körper feuerrot glühte, behutsam auf das große Doppelbett. In- zwischen nagte der Schlaf an Sarah, und auch sie hätte sich gerne auf das hauchzarte Seidenlaken gelegt. Aber Miriam stieg wortlos zu Leo ins Bett und nahm sie zärtlich in die Arme.
    Sarah blieb nur das Tagesbett. Während sie langsam den Träumen entgegendämmerte, die sie mit dem Opfer teilte, dessen Leben noch in ihr strömte, hörte sie, wie Miri ihrer neuen Leibeigenen vorsang: »Schlafe, mein Kind, in Frieden sollst ruh'n,
    Im Schoße der dunklen Nacht
    Zum Schutze der Herrgott wird Englein entsenden
    Im Schoße der dunklen Nacht ...«
    Sarah weinte sich in den Schlaf, aber als dieser sie endlich forttrug,

fand sie sich auf einem goldenen, durch wogende Wellen dahingleiten- den Segelschiff wieder. Am klarsten blauen Himmel, den sie je gese- hen hatte, kreisten weiße Möwen. Sie stoben hinab und flogen zwi- schen den Segeln des Schiffes hindurch, riefen ihr mit ihren kreischen- den Möwenstimmen etwas zu.
    Sie wusste, dass diese Vögel Gottes bedingungslose, unauslöschli- che Liebe symbolisierten und dass diese Vögel zu ihr und zu Leo und sogar zu Miri sprachen, denn Gottes Liebe galt allen Lebewesen auf der Welt.

14
    Das Veils
    Sarah erwachte, als die durch die hohen Schlafzimmerfenster einfal- lenden Sonnenstrahlen die Innenseiten ihrer Augenlider blutrot färbten. Sofort war Leo bei ihr und küsste und umarmte sie. »O Sarah, ich bin so froh, dass du wach bist! Ich habe dich so vermisst!«
    »Du – du bist nicht sterbenskrank?« Eigentlich sollte sie in akuter Le- bensgefahr schweben.
    »Oh, das war ich«, sagte Leo. »Es war schlimm.«
    »Du hast zwei Tage geschlafen«, sagte Miriam. Sie trat wie ein vom Himmel herabsteigender Engel aus dem Sonnenlicht. Schimmernde weiße Seide umhüllte sie. Ihr fast vollständig nachgewachsenes blon- des Haar ergoss sich anmutig über ihre wohlgeformten Schultern. Sie hatte sich zurecht gemacht und sah ganz und gar hinreißend aus. Ihre Augen hatten den üblichen aschgrauen Farbton.
    »Wir werden heute Nachmittag spielen«, sagte sie. »Du solltest deine Musikfreunde einladen.«
    Sarah nahm Leos Hand. »Leonore, weißt du, was mit dir geschehen ist? Begreifst du das alles überhaupt?«
    »Sieh dir meine Haut an!«
    Sarah erinnerte sich noch gut an diese wundersame Entdeckung. Frauen lieben reine Haut, mehr als ihnen bewusst ist – bis sie plötzlich etwas an sich entdecken, das sie in ihren kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätten.
    Leo warf den Kopf hin und her. »Und meine Haare!«
    Sie waren so schön wie Sarahs, fast so schön wie Miris.
    Die Blutübertragung hatte eine hübsche junge Frau in eine atembe- raubende Schönheit verwandelt. »Gestern musste ich mich den gan- zen Tag übergeben, aber heute geht es mir hervorragend.«
    »Wir haben alle Mittel gegen Übelkeit aufgebraucht«, sagte Miriam. »Insgesamt fiel ihr die Umwandlung aber leichter als dir.«
    »Und ich fühle mich –« Leo zuckte die Achseln. »Ich fühle mich fan- tastisch!«
    Während Sarah duschte und sich die Haare wusch, löcherte Leo sie unentwegt mit allen möglichen Fragen. Wann sollte sie Nahrung zu sich nehmen? Sollten sie gemeinsam auf die Jagd gehen oder wäre

das unklug? Und so weiter. Es war grotesk.
    »Leo«, sagte sie, als sie sich ankleidete. »Normalerweise führe ich diese Gespräche in meinem Arbeitszimmer.«
    Dies war eine Lüge, und Leo wusste es. Aber sie verstand und ließ Sarah endlich in Ruhe.
    Als Sarah einige Zeit später nach unten kam, saß Leo in der Biblio- thek im Schneidersitz auf dem Fußboden und sah sich eines der Hü- ter-Bücher an, die sie bisher nicht einmal hatte anfassen dürfen. Sie warf das uralte Werk zur Seite, sprang freudestrahlend auf und be- gann erneut, Sarah mit allen möglichen Fragen über ihren neuen Zu- stand zu löchern.
    Sarah hob das Buch auf und stellte es ins Regal zurück. »Diese Bü- cher sind sehr empfindlich«, sagte sie.
    »Yeah, sie sind auf Ägyptisch! Stammen sie aus Ägypten?« »Das ist kein Ägyptisch. Das ist Prime, die Sprache der Hüter. Das Buch, das du dir angesehen hast, ist dreißigtausend Jahre alt. Es be- steht vollständig aus gegerbter Menschenhaut und enthält die am bes- ten illustrierte medizinische Abhandlung, die es auf dem Planeten gibt. Wenn man seinen Wert in Zahlen ausdrücken wollte, wäre es schlicht-

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