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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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Waldspaziergängen bedeckt waren. Die Musik hatte, daran erinnerte Miriam sich deutlich, in perfekter Weise die leidenschaftliche Liebe des Mannes eingefangen, die er für die neben ihm sitzende Frau mit der voluminösen Perücke empfand.
    Miriam war die einzige Zuschauerin gewesen, so wie sie immer Zu- schauerin eines jeden Augenblicks im Leben ihrer über alles geliebten Mutter gewesen war. So wie ihr Sarah heute diente, hatte sie damals Lamia gedient.
    Die Musik endete. Es gab keinen Applaus. Ihre Freunde hatten vor langer Zeit gelernt, dass derartige Beifallsbekundungen nicht er- wünscht waren. Sie schenkte sich etwas Wein ein. Wein war der am wenigsten aufbereitete Alkohol, den zu sich zu nehmen sie sich erlau- ben durfte. Aber die im Wein eingefangene Seele der Traube bereitete ihrem Geist ein derartiges Vergnügen, dass sie über all die Jahre hin- weg zu einer Weinsammlerin geworden war. Im Alten Rom hatte sie Falernian getrunken, denn sie war auf intimste Weise mit den alten Kaisern verbandelt gewesen.
    Die meisten dieser Männer waren nicht, wie es in den Geschichtsbü-

chern hieß, durch simple Mordanschläge ums Leben gekommen, son- dern weil sie als vestalische Opfergaben hatten dienen müssen. Im Verborgenen war Rom von einem geheimen Religionszirkel beherrscht worden. Die Kaiser waren nur Herrscher auf Zeit, zum Staatsdienst auserkoren, bis die Priesterschaft der Vesta bestimmte, dass ihre Zeit abgelaufen war. Die Kaiser erfuhren von dieser Bedingung erst, nach- dem sie in Amt und Würden waren. Deswegen war es kaum verwun- derlich, dass so viele von ihnen vor Angst verrückt geworden waren. Einige wurden erwürgt oder stranguliert, oder ihnen wurde die Kehle durchgeschnitten, andere wurden in gewisse düstere Villen bestellt, deren Bewohner in einer wie Donnerhall klingenden Sprache redeten. Die Vesta war ein Geheimbund, der aus Hütern bestand.
    Sie stellte das Glas ab und verließ den Raum, ohne sich bei ihren Gästen zu entschuldigen. Dieses Stadthaus wurde nach altertümlichen Prinzipien geführt. Es war ein besonders exklusiver Ort, stand aber, wie ein altertümlicher Palast, Miriams erlauchtem Freundeskreis zu je- der Zeit offen.
    Was immer hier geschah, sie durften herkommen und zuschauen ... oder zumindest sollte es diesen Anschein haben. Und die Leute ka- men und betrachteten es als größtes Privileg, bei scheinbar privaten Tätigkeiten zuschauen zu dürfen – wie Miriam beim Ankleiden oder Mi- riam beim Sex ...
    Dies war der Lebensstil der historischen Aristokraten. Ihr Privatleben bestand darin, sich mit ihrer Gefolgschaft zu umgeben, und Miriam konnte sich keinen anderen Lebensstil vorstellen.
    Oder zumindest schien es so. Miriams Leben war natürlich wesent- lich vielschichtiger als es schien. Es gab Geheimnisse in den Geheim- nissen. Denn wie Sarah und nun auch Leo wussten, diente dieses prachtvolle Stadthaus auch als Schauplatz grausiger Morde, bei denen das Blut unschuldiger Menschen hinuntergespült wurde wie billiger Champagner.
    Paul schob eine Kakerlake mit dem Zeh an den Rand der Duschka- bine, als ihm an seinen Füßen etwas Eigenartiges auffiel.
    Er trat aus der Dusche und betrachtete seine Füße genauer. Es war das Vampirblut, das seine Haut so hell und geschmeidig hatte werden lassen. In dem unterirdischen Labyrinth in Paris hatte er das Zeug in den Schuhen gehabt. Er rieb seine Schulter. Hatte das

Blut auch sie schneller verheilen lassen als sonst?
    Er stellte sich wieder unter die Dusche und wusch sich mit der billi- gen Seife, die es in dem billigen Hotelzimmer gab. Er stand unter dem herunterprasselnden Wasser und sah zu, wie der Dreck im Abfluss verschwand.
    Er kam sich vor, als würde er unter dieser wackeligen Dusche seine ganze Vergangenheit von sich abwaschen. Seine Loyalität zur Agentur verschwand im Abfluss. Seine Erwartungen an die Zukunft – ein ruhm- volles Karriereende, ein ehrenvoller Ruhestand – verschwanden im Abfluss. Er war ein Priester des Todes, und jegliche Hoffnung auf einen friedvollen Lebensabend verschwand ebenfalls im Abfluss. Freud hatte gesagt, dass alle Männer dieselben Dinge wollen: Re- spekt, Ruhm, Reichtum, Macht und die Liebe der Frauen.
    Nun, das alles hatte er verloren, oder? Außer vielleicht die Liebe ei- ner Frau. Aber welche Frau wollte schon mit einem ausgebrannten Kerl zusammenleben, der ihr nicht einmal erzählen konnte, warum er so war, wie er war.
    Becky war die einzige Frau, mit der er wirklich reden konnte, aber dies

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