Whitley Strieber
möglichen Meeres- geschöpfen gemalt waren.
Die Wanne sah aus wie etwas, das man in einem Palast vorfinden mochte. Sie schien geradewegs aus dem Alten Rom zu stammen. Er hatte eine so vollkommene Arbeit bisher nur in der Königskammer der Großen Pyramide gesehen. Der Sarkophag dort ähnelte dieser Bade- wanne ein wenig.
Sarah trug ein grünes Kleid, darüber eine weiße Schürze und auf dem Kopf eine Dienstmädchenhaube. Ihr unschuldiges Aussehen im Zusammenspiel mit Miriams langbeiniger Nacktheit brachten Pauls Blut in Wallung. Sarah gab ihm einen spielerischen Klaps, als er in die Badewanne stieg.
»Lass mir ja sein bestes Stück in Ruhe«, sagte Miriam lachend, als sie sich zu ihm ins Wasser setzte. Sarah wusch ihnen die Haare und ihre Rücken mit einer herrlichen duftenden Seife. Dann wusch sie sein Gesicht, was ein erstaunlich intimes Erlebnis war. Mit Miriam zusam- men zu sein bedeutete offenbar, sich auch vor ihren Freundinnen nackt zu zeigen. Nun, es gab Schlimmeres.
Während er, umgeben von diesen faszinierenden Frauen, in der Ba-
dewanne saß, beschloss er, seine Vergangenheit ein für alle Mal hin- ter sich zu lassen. An dieser Entscheidung gab es nichts mehr zu rüt- teln, sagte er sich. Die Welt würde schon nicht untergehen, bloß weil sich irgendwo ein paar Vampire verborgen hielten.
Ab sofort hatte er eine neue Mission: Miriam dazu zu bringen, ihn zu heiraten.
Er schloss die Augen und lehnte sich zurück, während Sarah behut- sam seine Wangen und seine Stirn massierte. Miriam schob einen Fuß zwischen seine Beine und begann, ihn mit sanftem Druck an der ent- scheidenden Stelle zu necken.
Yeah, dies war der Himmel auf Erden. Es sah ganz danach aus, als hätte das ausgebrannte alte Schlachtross endlich eine saftige Wiese zum Grasen gefunden. Er glaubte – er hoffte – zu spüren, wie die Ent- täuschungen seines bisherigen Lebens und vielleicht sogar seine zahl- losen Sünden von ihm abfielen und im Dunkel seiner traurigen Vergan- genheit verschwanden – hinfortgewaschen von den sanften Händen liebender Engel.
Dann bemerkte er Leo. Sie war leise hereingekommen. Sie saß mit gekreuzten Beinen auf dem Toilettendeckel, rauchte und beobachtete ihn. Ihm fiel erneut das eigenartige kleine Messer auf. Seine Umrisse zeichneten sich deutlich in der Tasche ihrer knallengen Jeans ab. Ihre Blicke trafen sich. Sie lächelte.
18
Sorglose Liebe
Miriam und Sarah standen vor dem Bett und betrachteten das schla- fende Prachtexemplar von einem Mann.
»Er schlummert wie ein kleines Kind«, sagte Sarah.
»Das tut er.«
Leo holte die Lanzette heraus. Sie trat ans Bett und sah Miriam fra- gend an.
»Leo, wir werden es nicht tun.«
»Aber ich habe Hunger.« Sie zitterte. »Wir müssen.«
»Sie hat Recht, Miri. Denk daran, was er gesehen hat. Denk daran, wer er ist!«
Paul regte sich, schob eine große Hand unter der Bettdecke hervor. »Miri ...«
Miriam setzte sich auf die Bettkante, nahm seine Hand und küsste sie. »Ich bin hier, Liebster.«
Die Hand wanderte höher, streichelte ihre Wange. »Mmm ...« Sie legte sich zu ihm unter die Decke.
Sarah war erschrocken, als sie die Zärtlichkeit in Miriams Augen sah. Was war nur in sie gefahren? War sie verrückt geworden? Dies war das mit Abstand Törichteste, was sie je getan hatte.
»Leo«, sagte Sarah, »tu es.«
Leo schaute auf die Lanzette. »W-wie?«
Miriams Kopf kam unter der Decke hervor. Sie setzte sich auf. Sie flüsterte, den Mund dicht an Sarahs Ohr: »Ich glaube, ich bin schwan- ger.«
Sarah trat einen Schritt zurück, einen Augenblick lang zu überrascht, um etwas zu entgegnen. Als Wissenschaftlerin und Ärztin hatte sie zwanzig Jahre Zeit gehabt, um jeden Aspekt von Miriams Organismus zu studieren. Mit Hilfe eines grenzenlosen Budgets hatte sie das Labor im Kellergeschoss in ein Wunder der Wissenschaft verwandelt, ausge- stattet mit den modernsten Geräten, die sie teilweise selbst konzipiert hatte und in den weltweit angesehensten medizinischen Entwicklungs- stätten hatte bauen lassen.
Deswegen wusste Sarah, dass diese ‘Schwangerschaft’, ein tragi- scher Irrtum war. Es konnte nur bedeuten, dass Miriam ihren vierten –
den letzten – Eisprung gehabt hatte. Sie war nicht schwanger; sie wünschte es sich bloß. Sie konnte nicht von einem Menschen schwan- ger werden. In Wahrheit war Miriam Blaylocks letzte Gelegenheit ver- strichen, ein Kind zu bekommen.
Sarah eilte in ihr und Miris Sonnenzimmer, in dem sie ihren kleinen
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