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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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beugte sich über sie und strich ihr zärtlich über das Haar, das doppelt so voll war wie noch vor wenigen Stunden. Hüter-Körper besa- ßen wirklich unglaubliche Regenerationsfähigkeiten. Sarah war ganz begeistert gewesen, als sie herausfand, wie alles funktionierte. Ir- gendwo hatte die Natur diesen wundervoll regenerativen Organismus erschaffen, aber es war nicht die Natur der Erde gewesen. Miriam hatte Sarah nie verraten, woher sie gekommen waren, nur dass sie von einem anderen Planeten stammten. Weshalb sie hierher gekom- men waren, ob als Kolonisten oder als Flüchtlinge oder – wie Sarah vermutete –, um auf einer weitaus exotischeren Mission die Evolution einer anderen Spezies zu steuern – über all diese Dinge wollte sie nicht sprechen, oder sie wusste es selbst nicht.
    Sarah ging auf die andere Seite des Betts. Sie hasste es, Miri weh zu tun, aber es ging nunmal nicht anders, und sie durfte keine Zeit mehr vergeuden. Die arme Miri konnte töricht sein, wenn sie verliebt war. Dies war ihre einzige Schwäche. Sarah war Opfer dieser Schwäche geworden, aber gleichzeitig hatte sie davon profitiert, und allen Proble- men zum Trotz war sie ihr dafür zutiefst dankbar. Denn Miris Liebe war von Dauer. In den letzten zwanzig Jahren hatte sie bestimmt an die zehn Millionen Dollar in Sarahs wissenschaftliche Arbeit investiert, selbst als Sarah versuchte hatte, eine Methode zu entwickeln, wie man das Hüter-Blut, das Miri ihr eingeflößt hatte, wieder aus dem Körper herausbekam.

Sarah legte sich ins Bett. Paul wandte ihr den Rücken zu, und Miri konnte sie hinter ihm nicht sehen. Sie streckte sich neben ihm aus. »Ist er nicht wundervoll?«, flüsterte Miri.
    »Auf jeden Fall ist er ein Berg von einem Mann.«
    Sarah holte die Lanzette heraus und tastete mit den zarten Spitzen ihrer Chrirurgenfinger nach seiner Halsschlagader.
    Die Pulsrate war exzellent. Er würde für Leo eine ergiebige erste Mahlzeit sein. Genau genommen würde auch genug für sie, Sarah, üb- rig bleiben. Sie konnte das Blut der alten, schwachen Frau mit seinem auffüllen und würde auf diese Weise vielleicht erst in einem Monat wie- der Nahrung zu sich nehmen müssen.
    Dies war ein Mord, der ihr keine Probleme bereiten würde. Wie ei- genartig es doch war, einen von Miriams Feinden umbringen zu wol- len, der ihr Miri womöglich vom Hals schaffen würde. Aber sie liebte Miri mindestens so sehr, wie sie sie hasste. Sie hielt sich nicht für les- bisch – an Leo zum Beispiel hatte sie keinerlei Interesse –, aber was Miri mit ihr auf dem Weg zum Club getan hatte, war so schön und er- füllend gewesen, dass es im wahrsten Sinne des Wortes Nahrung für die Seele war. Selbst mit Tom war es nie so gewesen wie mit ihrer Herrin.
    Diese die Grenzen zwischen zwei Spezies überbrückende Liebe hatte etwas Schreckliches an sich, gleichzeitig aber auch etwas Heili- ges. Denn trotz ihres Zorns und ihres Bestrebens, ihrem Schicksal zu entfliehen, wusste Sarah, dass sie immer hier sein würde, dass sie sich letztlich immer für Miri anstatt für ihre Freiheit, den Tod oder für sonst etwas entscheiden würde.
    Sie setzte sich auf und sah, dass Miri die Augen geschlossen hatte und versonnen vor sich hin lächelte.
    Sie winkte Leo herein und deutete auf den schlafenden Mann, dann auf Leos Mund. Leo nickte. Ihr begeisterter Gesichtsausdruck glich dem eines Kindes.
    Sarah öffnete mit einigen geschickten Handgriffen seine Halsschlag- ader. Blut quoll heraus, und sie drückte Leos Kopf an die Wunde. Leo stellte sich überraschend geschickt an, saugte nach Leibeskräf- ten.
    »Er ist bewusstlos«, sagte Sarah, als Paul erschlaffte.
    Aber dann fuhr ein Ruck durch den massigen Körper. Sarah hörte, wie er zischend Luft in seine Lungen sog. Leo saugte mit aller Kraft, und doch hatte er nicht das Bewusstsein verloren.

Ganz im Gegenteil: Er schrie überrascht auf. Miri riss die Augen auf und schrie ebenfalls.
    Paul sprang schreiend aus dem Bett, Leo hing wie ein störrischer Blutegel an seinem Hals, und er versuchte sie abzuschütteln. Doch sie ließ sich nicht abschütteln. Sie saugte, er schrie, er taumelte, Miri schrie.
    Dieser Mann war anders als gewöhnliche Menschen. Obwohl die Blutversorgung seines Hirns plötzlich unterbrochen war, hatte er nicht das Bewusstsein verloren. Irgendwie war dieser simple Mord zu einer Katastrophe geworden.
    Er hechtete durch das Zimmer, versuchte Leo abzuschütteln. Doch sie hing an ihm wie eine Klette. Es war das Blut, die

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