Whitney Houston - Die Biografie
produziert. Gelegentlich kann Whitney stimmlich alle Erwartungen erfüllen, bei einigen Titeln schafft sie es nicht. Schlechte Songs gibt es keine, allerdings einige eher mittelmäßige.
Die vier Höhepunkte von I Look To You sind ohne Frage die Songs „Million Dollar Bill“, „Nothin’ But Love“, „A Song For You“ und „I Didn’t Know My Own Strength“.
„Million Dollar Bill“ ist ein klug gewählter Einstieg für die Platte. Es bringt genau jene Energie und Spannung, die man von Whitney erwartet, und ist noch dazu mit einem mitreißenden Refrain ausgestattet. Der Song aus der Feder von Alicia Keys funktioniert auch deshalb so gut, weil er mit so viel Dynamik daherkommt, dass Whitneys Stimme hinaufschwebt, ohne auch nur einmal zu Boden zu sehen. Thematisch hat er keinen direkten Bezug zu ihrem Leben. Ein solch starker, schneller und ins Ohr gehender Song war die perfekte Wahl als erste Single und ist schon allein den Erwerb der CD wert.
Der Titeltrack „I Look To You“ ist zwar packend, zeigt aber auch deutlich, dass Whitney stimmlich nicht mehr so perfekt ist wie früher. Der Text ist hervorragend gelungen, und zwanzig Jahre früher hätte Whitney ihn mit großer Kraft in die Welt hinaus geschmettert, doch 2009 musste sie notgedrungen eine tiefere Tonlage wählen. Dass der Song dennoch überzeugt, liegt an Whitneys hingebungsvoller Interpretation.
Der nächste starke Track auf dem Album ist „A Song For You“, das Leon Russell eigentlich als klassische Ballade komponierte. Durch die Produktion des skandinavischen Produzententeams Stargate gewinnt der Song jedoch so an Fahrt, dass er sich vom getragenen Anfang zu einer packenden Dance-Nummer entwickelt, richtiggehend Feuer fängt und ein Disco-Inferno entzündet. Ähnlich packend fällt Diane Warrens „I Didn’t Know My Own Strength“ aus, das von David Foster produziert wurde und bei dem Whitneys facettenreiche Beteuerungen besonders effektiv wirken.
Es hat immer schon Sänger und Sängerinnen gegeben, die tiefe Abgründe durchschreiten mussten und ihre schweren Zeiten zwar mit heiler Seele, aber veränderter Stimme überstanden, beispielsweise Billie Holiday, die in den Dreißigerjahren als Big-Band-Sängerin noch weich und sanft klang. In den Fünfzigern hatte jahrelanger Drogenmissbrauch ihren Gesang gezeichnet. Dennoch waren die Aufnahmen, die dann mit den Top-Jazzern der damaligen Zeit entstanden, auf ganz andere Weise höchst gelungen. Ihre Stimme war rauer, aber als die Lady nun den Blues sang, hatte ihre dunklere Tonlage an Ausdruckskraft gewonnen. Dasselbe gilt für Rosemary Clooney. Die beliebte Sängerin der Fünfzigerjahre war mit Weiße Weihnachten an der Seite von Bing Crosby zum Filmstar geworden, wurde dann aber abhängig von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten. In den Neunzigern war die jugendliche Frische aus ihrer Stimme verschwunden, aber sie nahm dennoch einige der beeindruckendsten Titel ihrer ganzen Karriere auf. Vielleicht verhält es sich mit Whitney Houston ähnlich. Sie wird nie wieder so unbeschwert und mühelos jene Töne treffen, die ihr mit zwanzig so leicht gefallen waren, aber ihre gewandelte Stimme gestattet ihr eine neue Tiefe, was den Ausdruck betrifft.
Die ersten Kritiken erschienen in der Presse, noch bevor die Platte in den Läden stand oder in endgültiger Form als Download erhältlich war. Ein besonders interessanter Artikel über I Look To You fand sich in der Chicago Tribune . Der Autor Greg Kot gab dem Album „zwei von vier Sternen“ und wies zunächst darauf hin, wie sehr sich das Musikgeschäft gewandelt hat, seit Whitney Houston zuletzt als Erfolgsgarantin gegolten hatte. Er schickte voraus: „Nachdem sie zuletzt vor allem für unglückliche Schlagzeilen und eine ebenso unglückliche Ehe mit dem Sänger Bobby Brown bekannt war, macht Whitney Houston nun endlich wieder das, was sie am besten kann: Singen. Houston hat niemals ein wirklich großartiges Album abgeliefert: Ihrer gospeltrainierten Stimme wurde durch flache Songs und eine sterile Produktion die Seele ausgesaugt. Ihre Karriere wurde Schritt für Schritt mit unerbittlicher Hand von Clive Davis gesteuert, einem Plattenfirmen-Mogul, der dafür bekannt ist, dass er aus einem Talent ein perfekt vermarktbares Produkt formen kann. Aber die Zeiten sind heute anders. Die Verkaufszahlen in der Musikbranche befinden sich im freien Fall, und Houston ist heute nur noch eine Randbemerkung oder einen Witz wert. Sie kann noch immer singen –
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