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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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aufgefallen war, der Tiger , dessen Atem ihm heiß und feucht in den Nacken blies, eine schöne Studentin – oder war das die junge Braut? Kippte jetzt die ganze Box nach vorne, wie ein leicht geneigter Eimer? Jedenfalls beugten sich alle zusammen zum zentralen Podium vor, einem verschleierten Opferaltar. Boq lockerte seinen Kragen und dann seinen Gürtel, spürte den glühenden Trieb zwischen Herz und Magen und gleich darauf die Versteifung ein Stück tiefer. Die Flöten- und Pfeifenmusik wurde langsamer, oder schien das nur so, weil er so gespannt schaute und ganz, ganz langsam atmete, dass sich die geheime Zone in seinem Innern enthüllte, wo er mit allem einverstanden war?
    Der Zwerg, jetzt in eine dunklere Kutte gewandet, erschien auf der Bühne. Er konnte von seiner Warte aus in sämtliche Boxen blicken, doch die Insassen der getrennten Boxen sahen einander nicht. Der Zwerg beugte sich vor und streckte eine Hand hierhin, eine Hand dorthin, hieß die Gäste willkommen – hieß sie kommen. Aus einer Box holte er sich eine Frau, aus einer anderen einen Mann (war es Timmel?) und aus der Box, wo Boq saß, den Tiger . Boq tat es nur sehr wenig leid, dass er nicht ausgewählt worden war, als er sah, wie der Zwerg unter den Nasen der drei Assistenten eine rauchende Phiole schwenkte und ihnen half, die Kleider abzulegen. Auf der Bühne befanden sich Fesseln, ein Teller mit Duftölen und Beruhigungsmitteln und eine Truhe, deren Inhalt noch im Dunkeln lag. Der Zwerg verband den Erkenntnissuchenden mit schwarzen Tuchstreifen die Augen.
    Der Tiger schritt leise knurrend auf allen vieren auf und ab und warf vor Nervosität oder Erregung den Kopf hin und her. Timmel – denn er war es, wenn auch kaum noch bei Bewusstsein – musste sich mit dem Rücken auf den Boden der Bühne legen. Der Tiger stellte sich über ihn und hielt sich still, während der Zwerg und seine Gehilfen Timmel anhoben, ihm Arme und Beine um den Tiger legten und Hand- und Fußgelenke fesselten, so dass er unter dem Bauch des Tiers hing wie ein Schwein am Spieß, das Gesicht in dessen Brustbehaarung vergraben.
    Die Frau wurde auf einen schrägen, gewölbten Sitz plaziert, der einer großen geneigten Schüssel glich, und der Zwerg goss etwas Aromatisches in die dunkle Vertiefung. Dann deutete er auf Timmel, der anfing, sich an der Brust des Tigers zu winden und zu stöhnen. »X soll der Namenlose Gott sein«, erklärte der Zwerg und piekte Timmel in die Rippen. Als nächstes schlug er dem Tiger mit einer Reitgerte auf die Flanke, und dieser bewegte sich vorwärts und steckte den Kopf zwischen die Beine der Frau. »Y soll der Zeitdrache in seiner Höhle sein«, sagte der Zwerg, wobei er den Tiger abermals schlug.
    Während er die Frau in der Schale festband und ihr dabei die Brustwarzen mit einer leuchtenden Salbe bestrich, reichte er ihr die Reitgerte, damit sie Flanken und Gesicht des Tigers peitschen konnte. »Und Z soll die kumbrische Hexe sein und uns heute Abend zeigen, ob es sie wirklich gibt …« Die Zuschauer rutschten auf die Vorderkante ihrer Sitze, und erfüllt vom schwülen Gefühl des Verbotenen zupften sie an ihren Knöpfen, kauten auf ihren Lippen und beugten sich immer weiter vor, vor, vor.
    Â»Das sind die Variablen in unserer Gleichung«, sagte der Zwerg, während der Raum sich weiter verdunkelte. »Und jetzt möge das wahre, verborgene Streben nach Erkenntnis beginnen.«
    8
    Da die Industriellen von Shiz die wachsende Macht des Zauberers von früh an mit Misstrauen beobachteten, hatten sie sich dagegen entschieden, die Eisenbahnlinie von Shiz zur Smaragdstadt zu bauen, wie ursprünglich geplant. Daher war es bis dorthin eine gute Dreitagesreise – und das bei bestem Wetter und nur für die Reichen, diesich den ständigen Pferdewechsel leisten konnten. Für Glinda und Elphaba dauerte die Fahrt über eine Woche. Eine trostlose, stürmisch kalte Woche, in der die Herbstwinde die Blätter von den Bäumen rissen und die dürren Äste protestierend kreischten und um sich schlugen.
    Wie andere Reisende dritter Klasse übernachteten sie in Hinterzimmern über Gasthausküchen. In einem einzigem unbequemen Bett drängten sie sich zusammen, suchten Wärme und Trost beieinander und, sagte sich Glinda, Schutz. Die Stallknechte riefen und schimpften unten im Hof, die

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