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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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Küchenmädchen kamen und gingen lautstark zu jeder Stunde. Oft fuhr Glinda auf wie aus einem schrecklichen Traum und kuschelte sich näher an Elphaba, die nachts niemals zu schlafen schien. Tagsüber, während der langen Stunden in schlecht gefederten Kutschen, nickte Elphaba dann an Glindas Schulter ein. Die Landschaft draußen wurde karger und eintöniger. Die Bäume waren kleinwüchsig, als sparten sie ihre Kraft auf.
    Und dann erschienen in dem sandigen Buschland Spuren von Bewirtschaftung. Auf überweideten Feldern standen Kühe mit verschrumpelten und papieren aussehenden Buckeln und muhten verzweifelt. Die Höfe wirkten menschenleer. Einmal sah Glinda eine Bäuerin auf der Türschwelle stehen, die Hände tief in den Schürzentaschen vergraben, das Gesicht von Gram und Zorn über den verschlossenen Himmel zerfurcht. Die Frau beobachtete die vorbeifahrende Kutsche, und aus ihrer Miene sprach der Wunsch, darin zu sein, tot zu sein, irgendwo anders zu sein als auf diesem Kadaver von einem Bauernhof.
    Die bäuerlichen Anwesen wurden von verlassenen Mühlen und leeren Scheunen abgelöst. Auf einmal erhob sich schroff und abweisend die Smaragdstadt vor ihnen. Eine Stadt des Willens, der totalen Proklamation. Wider alle Vernunft überwucherte sie den Horizont, spross aus der gesichtslosen Ebene von Mittel-Oz empor wie eine Fata Morgana. Glinda hasste sie vom ersten Moment an. Eine Stadt wie ein frecher Emporkömmling. Sie nahm an, dass sich darin ihr gillikinesisches Überlegenheitsgefühl ausdrückte. Sie war stolz darauf.
    Die Kutsche fuhr durch eines der Nordtore, und sofort waren sie von wimmelndem Leben umgeben, von weltstädtischem allerdings, das nicht so gedrosselt und augenzwinkernd war wie in Shiz. Die Smaragdstadt vergnügte sich nicht, fand überhaupt Vergnügtheit als Eigenschaft für eine Stadt ungehörig. Ihr stolzes Selbstbewusstsein tat sich in öffentlichen Orten kund, in denkmalgeschmückten Plätzen, in Parks und Fassaden und spiegelnden Wasserbecken. »Wie infantil, wie ironielos«, murmelte Glinda. »Dieser Pomp, dieser Dünkel!«
    Doch Elphaba, die schon einmal durch die Smaragdstadt gekommen war, auf dem Weg nach Shiz, interessierte sich nicht für Architektur. Ihr Blick war auf die Bewohner geheftet. »Keine Tiere «, sagte sie, »jedenfalls soweit man sehen kann. Vielleicht sind sie alle in den Untergrund gegangen.«
    Â»In den Untergrund?«, fragte Glinda und dachte dabei an sagenumwobene Schrecken wie den Gnomenkönig und seine unterirdische Kolonie oder die Bergwerke der Zwerge im Glikkus oder den Zeitdrachen der alten Mythen, der in seinem luftlosen Grab die Welt von Oz erträumte.
    Â»In Verstecke«, erklärte Elphaba. »Und sieh dir die Armen an! Ist das die hungernde Landbevölkerung von Oz? Oder ist es bloß … der städtische Überschuss? Der entbehrliche menschliche Ausstoß? Sieh sie dir an, Glinda, das ist eine echte Frage. Die völlig mittellosen Quadlinger damals … sie sahen noch besser aus als die hier …«
    Von der Hauptstraße, auf der sie fuhren, gingen Seitenstraßen ab, in denen die Massen der Verelendeten unter Dächern aus Blech und Pappe hausten. Viele von ihnen waren Kinder, doch es waren auch kleinwüchsige Munchkins, Zwerge und Gillikinesen darunter, von Hunger und Leid gebeugt. Die Kutsche fuhr langsam, und einzelne Gesichter fielen ins Auge. Ein blutjunger zahnloser und beinloser Glikker, der auf den Oberschenkelstummeln in einer Kiste saß und bettelte. Eine Frau aus Quadlingen – »Schau, eine Quadlingerin!«, rief Elphaba und fasste Glinda am Unterarm. Glindas Blick fiel auf eine wettergegerbte braune Frau mit Kopftuch, die dem Kind, das siein einer Schlinge um den Hals trug, einen kleinen Apfel reichte. Drei gillikinesische Mädchen, als käufliche Frauen zurechtgemacht. Ein Rudel Kinder, die sich kreischend wie Ferkel um einen Kaufmann drängten, um ihn zu bestehlen. Zerlumpte Trödler mit Handkarren. Kioskbesitzer, die ihre Waren hinter Gittern verschlossen hielten. Und eine Art Bürgerwehr, wenn man sie so nennen konnte, die auf jeder zweiten oder dritten Straße in Vierergruppen patrouillierte, Knüppel schwingend, Schwert im Gürtel.
    Sie bezahlten den Kutscher und machten sich mit ihrem Gepäck auf den Weg zum Palast, der sich in Stufen vor ihnen erhob, ein Konglomerat von Kuppeln

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