Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
meinem Lebensziel erkoren habe, andere weibliche Wesen aus ihrem Mäusedasein herauszuholen.“
„Mäusedasein?“
„So habe ich das in meinem Leserbrief genannt, ja. Den hatte ich eigentlich satirisch gemeint und über das typisch weibliche Rollenbild hergezogen. Dass Frauen an ihrer Doppelrolle als Mutter und Karriereweib verzweifeln, statt ihre persönlichen Stärken zu nutzen und beides in Einklang bringen, und dabei auch noch glücklich und erfolgreich wirken, schließlich sind wir multitaskingfähig. Du kennst das ja.“
Svenja pfiff leise und lehnte sich im Sessel zurück. „Das wird vielen Männern nicht gefallen.“
„Den Frauen dafür umso mehr, ich konnte es kaum glauben. Nicht nur, dass die Redaktion meinen Frustbrief als Titelbeitrag bringt, sie wollen sogar mehr. Und Geld gibt es auch noch!“
„Warum sagst du ihnen nicht einfach, dass du gar keine Frau Doktor bist?“
„Weil sie ihr Angebot dann vielleicht wieder zurückziehen, und das können wir uns angesichts unserer finanziellen Situation nicht leisten.“
Svenja nickte, forderte die frisch erstandenen Klamotten zu sehen und übte sanfte Kritik. „Top und Blazer sind okay, Mama, aber der Rock geht gar nicht. Schließlich bist du keine zwanzig mehr.“ Jaja, Kinder können grausam sein! Mit geübtem Blick ging sie meine Garderobe durch. „Wenn du wirklich als Frau Doktor auftreten willst, solltest du deinen Jeansfimmel ablegen. Frag doch mal Lotta, die hat sich eine echt coole Hose gekauft; sie leiht sie dir bestimmt, wenn du fragst.“
„Lottas Klamotten? Nie im Leben!“ Ich wedelte mit den Händen vor Svenjas Nase herum, als könnte ich den Namen damit ausradieren. „Ich liebe meine Mutter, aber das geht zu weit. Sobald Lotta von dem Brief erfährt, bin ich tot - versprich mir, dass du ihr nichts sagst!“
„Also gut, versprochen. Aber auf Jeans solltest du echt verzichten, wenn du als Frau Doktor durchgehen willst. Und was Lotta angeht – sag ihr einfach, dass du dich wieder mit Falk treffen willst, dann wird sie schnurrig wie eine Katze.“
„Was weißt du denn über Falk?“
„Denkst du, ich weiß nicht, dass du immer noch auf ihn abfährst? Solange ihr miteinander ausgegangen seid, warst du echt besser drauf.“
„Was geht dich mein Liebesleben an?“
„Du bist nicht wirklich informiert über Jugendliche, oder?“ Mit diesem höchst beunruhigenden Kommentar ließ Svenja mich stehen und schaltete den Fernseher ein.
3
Ungeduldig trommelten meine Finger auf dem Steuer herum. Halb vier, hatte Lotta gesagt, und jetzt war es schon zehn vor!
Ich blickte zum Eingang der Zahnarztpraxis und blinzelte. Die ersten Sonnenstrahlen hatten bereits Kraft und verführten dazu, mit geschlossenen Augen ein Gesichtsbad zu nehmen.
„Hör auf zu träumen, Yvi, und bring mich hier weg.“ Unbemerkt war Lotta aus dem Haus gekommen und setzte sich auf den Beifahrersitz meines Wagens. Sie öffnete die oberen Knöpfe ihrer lindgrünen Bluse und zupfte die Kette zurecht. Ihre für eine Mittfünfzigerin erstaunlich jugendliche Erscheinung passte so gar nicht zu dem Bild der Generation 50+ und irritierte mich noch immer. Wie eigentlich alles an ihr: Stimme, Kleidung, Vokabular, Lebenswandel – eine starke Frau, der es egal war, wie andere sie fanden.
Eigentlich wie in deinem Brief , stänkerte Beelzebub.
Ich startete den Polo und ordnete mich ein. „Wann ist denn dein Wagen aus der Werkstatt zurück?“
„Morgen, denke ich, war wohl doch mehr zu machen. Scheint was mit den Bremsen zu sein, die benutze ich wohl zu wenig, im Gegensatz zu dir.“ Sie klappte die Sonnenblende herunter, betrachtete sich im Spiegel und zog mit dem Stift die Umrisse ihres noch immer schönen Mundes nach. „Und nun beeil dich, die Betäubung lässt nach.“
„Oui, Madame, das Taxameter läuft.“
Dann kam, was kommen musste: „Bist du es nicht manchmal Leid, allein zu sein, Yvi?“
Oh, wie ich diese Verhöre hasste, mit denen Lotta nicht erst seit der Scheidung in meinem Leben herumkramte. Dumm für sie, dass ich heute keine Lust darauf hatte.
„Bist du es denn Leid, Lotta?“
„Ich bin ja nicht allein; neben meiner Arbeit im Kindergarten und den Besuchen bei dir und Svenja unterhalte ich ein reges Sozialleben - etwas, woran du mal wieder arbeiten solltest. Es ist nicht gut, so lange allein zu sein.“
„Wüsste nicht, was dich das angeht“, fauchte ich. „Schließlich bin ich über achtzehn und darf selbst entscheiden, mit wem ich
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