Wickelkontakt - Roman
Kicker, wie doof. Ich dagegen wollte tanzen und allen erzählen, wie gut es mir gerade ging! Ich war ja so unabhängig und frei! Liebe ist ja sowieso nur für Doofe! Jawoll! Gesagt, getan.
Die Musik war großartig, irgendein Mix aus Beastie Boys, U 2 und Fettes Brot– auf einmal deutlich munterer hüpfte ich zur Musik, trank zur Abwechslung mal Alster und grinste Leute an, sagte » Hallo« zu einem, der mit seiner Freundin da war, nur um selbige zu ärgern, und freute mich diebisch, als er mich anlächelte und » Hi«, sagte; kurz danach sah ich die beiden in eine heftige Diskussion verwickelt. Hihi. Dabei war sie total hübsch, die sollte mal locker bleiben. Zum Glück stürzte sie wenigstens nicht auf mich los.
Wieder mit dem Leben ausgesöhnt, verschwitzt und gut gelaunt vom Hüpfen, hatte ich auf einmal Lust auf eine Zigarette und keine dabei. Gleichzeitig fand ich das Alleinetanzen doof und sah mich nach einem Gesprächsopfer um. Mein kleines Nickerchen in Rosis Bar und die anschließende Bewegung beim Tanzen sowie die frische Luft, die ich draußen beim Wechseln der Location gierig und in großen Zügen eingeatmet hatte, waren wohltuend gewesen– ich war zwar voll wie ein alter Seebär, mir war aber wenigstens nicht mehr schlecht.
Wen konnte ich denn jetzt um eine Zigarette bitten? Ziemlich genau gegenüber, rechts von der Tür, stand einer, der war ganz schön niedlich. Wieso hatte ich den denn noch nicht gesehen? Vielleicht so groß wie ich, dunkle Haare, dunkelblaue Jeansjacke und knallblaue Augen. Ich erschreckte mich richtig, als er mich auch ansah. Mein Herz machte sozusagen einen kleinen Hüpfer, so wie ich vorhin beim Tanzen. Also los. Mutig genug war ich ja nun wohl, und das Geld, das ich in die Unmengen Alkohol investiert hatte, sollte ja nicht umsonst ausgegeben worden sein. Ich quälte mich durch die Menge, und als ich vor ihm stand, stellte ich dann die Frage aller Fragen:
» Hast du mal ’ne Zigarette?«
Er zögerte nicht, wirkte sogar leicht hektisch, als er eine NIL-Packung aus der Jeanstasche kramte und mir eine völlig zerknickte Kippe darbot. Außerdem auch gleich Feuer, ohne die dusselige Frage zu stellen: » Aber rauchen kannste alleine?«
Süßer Typ, dachte ich, der sieht einem wenigstens in die Augen. Hmm, und seine waren wirklich zum drin Versinken… Bevor ich wieder gehen und ihn damit seiner Chance, mich zu erobern, berauben konnte, holte er schon zum Gegenangriff aus: » Wollen wir was trinken?«
Nüchtern betrachtet sind das natürlich keine Sätze, die das Fundament einer glücklichen Beziehung bilden: » Haste mal ’ne Zigarette« und » Wollen wir was trinken«. Aber wie er das sagte! Und überhaupt, wie er so aussah und mich aufmerksam betrachtete… Das gefiel mir ganz schön gut. Dass ich eigentlich keinen kennenlernen wollte, weil ich damit immer nur Pech hatte, hatte ich kurzfristig vergessen. Mein mühsam und teuer angetrunkenes Selbstbewusstsein hatte sich auch schon wieder verabschiedet. Erst an der Theke überwand ich meine plötzliche Schüchternheit.
» Ich bin Sophie«, sagte ich beherzt.
» Jonas« entgegnete er. Aha. Das war doch schon mal gut. Kein » Jürgen« oder » Rainer«. Mit einem Jonas konnte man sich sehen lassen.
Ich schwankte. Mist, ich hatte wohl doch zu viel intus. Er dagegen hatte leicht rote Augen, sah aber sonst nicht so fertig aus, wie ich mich fühlte.
Er lächelte ein süßes » Jetzt kommt ’ne blöde Frage-Lächeln«. » Und, was machst du sonst so?«
Juhu! Mein Thema! » Ich bin Volontärin bei Hanseradio !« So, mal gucken, wie es jetzt weiterging.
Normalerweise kam jetzt so was wie » huijuijui, eine vom Radio, Mensch, na so was– und kann man dich auch hören? Ja, eeecht? Ach, das ist ja toll… blablablabla.«
Da verging mir ja schon immer alles. Oft hatte ich nämlich keine Lust, nur über meinen Job zu erzählen oder darauf reduziert zu werden, dass ich beim Radio war. Zum Teil erzählte ich den Leuten schon, ich hieße Sabine und sei Fleischereifachverkäuferin aus Peine, nur damit sie mir nicht auf den Keks gingen oder so furchtbar verunsichert waren, dass kein Gespräch mehr zustande kam…
Nicht so Jonas. » Ach, echt?«, sagte er recht unbeeindruckt. » ’ne Freundin von mir ist bei NDR 2 .«
Mist, auch das noch. NDR 2 ist das Hollywood der norddeutschen Radioszene. Da wollen alle hin. Ich musste gleich mal was klarstellen.
» Deine Freundin?«, schrie ich.
Nicht, weil ich eine Szene machen wollte, sondern
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