Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Titel: Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
reißen. Es durfte nicht einen Akt des Ungehorsams geben – so etwas musste für sie undenkbar sein. Aber um sie seinem Willen zu unterwerfen, durfte er ihren Instinkten nicht zu sehr zuwiderhandeln.
    Er konnte die Kreatur kaum sehen, die da in einer Haltung demütiger Unterwerfung auf ihn zugekrochen kam. Kusum gestikulierte mit der Peitsche und die Mutter drehte das Jungtier um, mit dem Rücken zu ihm. Er holte mit der Peitsche aus und schlug zu, einmal, zweimal und immer wieder. Er legte sein ganzes Gewicht in jeden Hieb, sodass jeder Schlag ein fleischiges Klatschen geflochtener Büffelhaut auf kaltem kobaltgrauen Fleisch hervorrief.
    Er wusste, die Peitsche fügte dem jungen Rakosh keinen Schmerz zu, aber das war belanglos. Es ging nicht darum, Schmerzen zuzufügen, sondern seine dominante Stellung hervorzuheben. Die Auspeitschung war ein symbolischer Akt, so wie die Unterwerfung eines Rakoshs unter die Peitsche eine Versicherung seiner Loyalität und Dienstbarkeit unter den Willen von Kusum war, des Kaka-ji. Die Peitsche stellte ein Band zwischen ihnen dar, aus dem sie beide Kraft zogen. Mit jedem Peitschehieb spürte Kusum, wie die Macht Kalis ihn erfüllte. Es war fast, als habe er wieder zwei Arme.
    Nach zehn Schlägen hielt er inne. Der Rakosh sah sich um, erkannte, dass seine Bestrafung beendet war, und schlich sich wieder in den Schoß der Gruppe zurück. Blieb nur noch die Mutter. Kusum knallte mit der Peitsche in die Luft. Ja, schien sie zu sagen. Auch du.
    Die Mutter kam nach vorn, sah ihn lange an und bot ihm dann ihren Rücken an. Die Augen der jungen Rakoshi glommen auf, als die Aufregung in ihnen stieg. Sie traten von einem Fuß auf den anderen und klackten mit ihren Fängen gegeneinander.
    Kusum zögerte. Die Rakoshi hingen an ihrer Mutter. Sie verbrachten tagein, tagaus in ihrer Gegenwart. Sie führte sie, gab ihrem Leben eine Ordnung. Sie würden für sie sterben. Sie auszupeitschen war ein gefährliches Unterfangen. Aber es bestand eine Hierarchie, die erhalten werden musste. So wie die Rakoshi an ihrer Mutter hingen, hing diese an Kusum. Und um diese Hierarchie aufrechtzuerhalten, musste sie sich der Peitsche beugen. Denn sie war seine Stellvertreterin unter den Jungen und schlussendlich verantwortlich, wenn die Wünsche des Kaka-ji nicht ausgeführt wurden.
    Und trotz ihrer Hingabe an ihn, obwohl er wusste, dass sie mit Freude für ihn sterben würde, trotz des unaussprechlichen Bandes, das zwischen ihnen bestand – er hatte die Brut mit ihr zusammen begründet, hatte sie gefüttert und aufgezogen, seit sie geschlüpft waren –, trotz alledem war er ihr gegenüber vorsichtig. Schließlich war auch sie eine Rakosh – Fleisch gewordene Grausamkeit. Sie zu züchtigen war wie ein Balanceakt mit hochexplosivem Sprengstoff. Ein Moment der Unachtsamkeit, eine unbedachte Bewegung…
    Er nahm seinen Mut zusammen und schlug mit der Peitsche zu. Die Spitze klatschte auf den Boden, weit von der Stelle entfernt, wo die Mutter wartete. Dann ließ er die Peitsche gesenkt. Im Laderaum war es beim ersten Hieb totenstill geworden. Nichts rührte sich. Die Mutter wartete weiterhin und als kein Schlag kam, drehte sie sich zu der Plattform um. Bis dahin hatte Kusum die Bullenpeitsche schon wieder zusammengerollt, eine schwierige Aufgabe für einen Mann mit einem Arm, aber er hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass man fast alles mit einer Hand erledigen konnte, wenn man nur wollte. Er hielt die Peitsche seitlich von seinem Körper weg, dann ließ er sie auf den Boden der Plattform fallen.
    Die Mutter sah ihn mit glänzenden Augen an, die Pupillen ehrfürchtig geweitet. Sie war nicht ausgepeitscht worden, eine öffentliche Demonstration des Respekts und ihres Ansehens durch den Kaka-ji. Kusum wusste, dies war ein stolzer Augenblick für sie, der sie in den Augen der Jungen noch höher steigen ließ. Das war seine Absicht gewesen.
    Er drückte auf den Knopf nach oben und drehte die Gaszufuhr der Fackeln ganz auf, während der Fahrstuhl sich von den Rakoshi entfernte. Er war zufrieden. Erneut hatte er seine Stellung als absoluter Herr über das Nest bestätigt. Die Mutter hatte er nach dieser Aktion besser unter Kontrolle als je zuvor. Und wenn er sie unter Kontrolle hatte, dann damit auch die Jungtiere.
    Das Feld gelb glühender Augen beobachtete ihn von unten und wich nicht von ihm, bis er am Rand der Ladeluke angekommen war. Sobald er ihren Blicken entzogen war, griff Kusum nach der Halskette und legte

Weitere Kostenlose Bücher