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Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Titel: Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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konnten.
    Die Mutter gestattete das nicht. Sie gab dem Jungen einen brutalen Schubs, der ihn in die Arme seiner drinnen wartenden Geschwister stieß, dann folgte sie ihm.
    Kusum schlug das Schott zu, sicherte es und hämmerte dann mit der Faust dagegen. Ging das denn nie zu Ende? Er hatte gedacht, heute käme er der Erfüllung seines Schwurs näher. Etwas war schiefgelaufen. Das beunruhigte ihn fast so sehr wie es ihn ärgerte. War etwas Unvorhergesehenes passiert oder waren die Rakoshi schuld?
    Warum war da kein Opfer?
    Aber etwas war sicher: Es würde eine Bestrafung geben. Das war schon immer so gewesen. Und so würde es auch heute Nacht sein.
     
    9
     
    Oh Kusum, was hast du nur getan?
    In Kolabati tobte das Entsetzen, während sie zusammengekrümmt im Fond des Taxis saß. Die Fahrt war glücklicherweise nur kurz – direkt durch den Central Park zu einem imposanten Gebäude aus weißem Backstein an der 5th Avenue.
    Der Nachtportier kannte Kolabati nicht und hielt sie an. Er war alt, sein Gesicht faltenübersät. Kolabati verabscheute alte Menschen. Sie fand den Gedanken ans Altern abstoßend. Der Portier wollte sie nicht durchlassen, bis sie ihm ihren Schlüssel und ihren Führerschein zeigte, um zu beweisen, dass sie den gleichen Nachnamen wie Kusum hatte. Sie hastete durch die marmorverkleidete Lobby, vorbei an der modernen Sitzgruppe und den einfallslosen abstrakten Gemälden an den Wänden, dem Aufzug entgegen. Er stand offen und wartete auf sie. Sie drückte auf die 9, den Knopf zur obersten Etage, und wartete ungeduldig, dass sich die Tür schloss und die Kabine in Bewegung setzte.
    Kolabati ließ sich gegen die Rückwand sinken und schloss die Augen.
    Dieser Geruch! Ihr wäre beinahe das Herz stehen geblieben, als sie ihn vorhin in Jacks Wohnung wahrgenommen hatte. Sie dachte, sie hätte ihn für immer in Indien zurückgelassen.
    Ein Rakosh!
    Vor weniger als einer Stunde war einer vor Jacks Wohnung gewesen. Ihr Verstand wollte sich davor verschließen, aber es bestand kein Zweifel daran. So sicher wie die Nacht dunkel war, so sicher wie die Jahre, die sie auf dieser Welt verbracht hatte – ein Rakosh! Diese Erkenntnis drehte ihr den Magen um und saugte ihr alle Kraft aus. Und das Schlimmste daran: Der Einzige, der dafür verantwortlich sein konnte – der einzige Mensch auf der ganzen Welt –, war ihr Bruder.
    Aber warum Jacks Wohnung?
    Und wie? Bei der Schwarzen Göttin, wie?
    Der Fahrstuhl bremste sanft ab, die Türen öffneten sich und Kolabati steuerte direkt auf die Tür mit der Nummer 98 zu. Sie zögerte, bevor sie den Schlüssel ins Schloss steckte. Das hier würde nicht einfach werden. Sie liebte Kusum, aber er schüchterte sie auch ein. Nicht physisch – er würde nie die Hand gegen sie erheben –, aber moralisch. Das war nicht immer so gewesen, aber in letzter Zeit war seine moralische Selbstgefälligkeit unerträglich geworden.
    Aber diesmal nicht, schwor sie sich.
    Diesmal hat er unrecht.
    Sie drehte den Schlüssel im Schloss und trat ein.
    Die Wohnung war dunkel und still. Sie betätigte den Lichtschalter und sah vor sich ein ausladendes Wohnzimmer, dass offenkundig von einem Innenarchitekten eingerichtet worden war. Das war ihr aufgefallen, als sie den Raum das erste Mal betreten hatte. In der ganzen Einrichtung fand sich keine Spur von Kusum. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Raum mit persönlichen Dingen auszustatten. Und das bedeutete, dass er hier nicht lange bleiben wollte.
    »Kusum?«
    Sie stieg die beiden Stufen zum Fußboden des Raumes hinunter und ging dann über den Wollteppich zu der geschlossenen Tür von Kusums Schlafzimmer. Der Raum war dunkel und leer.
    Sie ging ins Wohnzimmer zurück und rief jetzt etwas lauter: »Kusum?«
    Keine Antwort.
    Er musste hier sein! Sie musste ihn finden! Sie war die Einzige, die ihn aufhalten konnte!
    Sie ging an der Tür in das Gästezimmer vorbei, das er ihr zur Verfügung gestellt hatte, zu dem Panoramafenster, das auf den Central Park hinausführte. Die ganze Gegend war dunkel, durchzogen in unregelmäßigen Abständen von beleuchteten Straßen, glimmende Schlangen, die von der 5th Avenue zum Central Park West hinüberglitten.
    Wo bist du, mein Bruder, und was tust du da? Was für ein Grauen hast du ins Leben zurückgeholt?
     
    10
     
    Die beiden Propanbrenner auf beiden Seiten fauchten blaue Flammen in die Höhe. Kusum stand zwischen ihnen und adjustierte zum letzten Mal die Düsen – sie sollten laut sein, aber er wollte

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