Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
Patient.
Es war sein zweiter Untersuchungstag, und es gefiel ihm überhaupt nicht.
Sie hatten gestern um sechs Uhr früh angefangen, Elektroden an seiner Kopfhaut zu befestigen, und an seinen Gürtel einen Kasten für ein vierundzwanzigstündiges Telemetrie-EEG gehängt. Den restlichen Tag war er punktiert und gestochen worden. Und alles ohne ein Wort der Erklärung. Diese Morgen hatte mit stundenlangen schriftlichen psychologischen Tests begonnen.
Er wusste wenigstens noch, welchem Zweck das alles diente. Aber wie musste sich ein normaler Patient fühlen, wenn alles um ihn herum fremd und geheimnisvoll und vage bedrohlich war?
Er fühlte sich einsam. Er vermisste Sylvia ganz furchtbar. Er war nur ein paar Tage mit ihr zusammen gewesen, aber er hatte sich wie neugeboren gefühlt. Die Trennung empfand er als körperlichen Schmerz. Aber er tat das hier für sie beide. Wenn ihre Beziehung irgendeine Form von Zukunft haben sollte, dann musste er wissen, in was er sie da hineinzog.
Darum würde er hier eine Zeit lang Patient sein. Und wie jeder Patient fürchtete er sich vor den Untersuchungsergebnissen. Für Axford war das vielleicht nur eine ganz normale Standarduntersuchung, aber für ihn war diese Prozedur alles andere als normal. Er war sehr besorgt wegen seines fehlerhaften Erinnerungsvermögens und der Lücken, die anscheinend aus seinem Leben geschnitten waren, besonders in letzter Zeit. Dies ließ eine furchtbare Diagnose vermuten.
Es war immer noch besser, einen Hirntumor zu haben, als an Alzheimer zu leiden. Er wusste, sein Alter passte nicht in das übliche Schema, aber ansonsten waren alle Symptome vorhanden.
Er lag jetzt auf einem harten Untersuchungstisch in der radiologischen Abteilung der Stiftung und wartete darauf, dass er in den klaffenden Schlund einer Maschine geschoben wurde, die aussah wie ein CT-Gerät. Eine junge Assistentin mit mehreren Pfund Mascara im Gesicht kam mit einer Spritze auf ihn zu.
»Wird hier in jeder Abteilung auch samstags gearbeitet?«, fragte er, als sie seinen Arm mit Alkohol einrieb.
»Jeden Tag.« Sie sprach um einen großen Klumpen Kaugummi herum.
»Nebenbei bemerkt, vor einigen Wochen hatte ich bereits eine Computertomografie.« Er erinnerte sich an das plötzliche Wärmegefühl, als ihm das Kontrastmittel in den Zugang gespritzt wurde.
»Dies hier ist ähnlich, aber etwas anders«, sagte das Mädchen lässig. »Dies hier ist ein PET.«
»Ach ja«, sagte er und legte einen pedantischen Ton auf. »Positronemissionstomografie.« Er war stolz, dass er sich an die Bedeutung des Akronyms erinnerte. Vielleicht war sein Gedächtnis doch nicht so schlecht.
Die Assistentin hob herausfordernd den Kopf, als sie ihn ansah. »Hey. Ganz gut. Woher wissen Sie das?«
»Hab darüber in der Newsweek gelesen. Was spritzen Sie mir da?«
»Nur Glukoselösung.«
Alan wusste, dass es mehr als nur einfache Glukoselösung war. FDG – radioaktiver Zucker, der die aktivsten und die am wenigsten genutzten Bereiche in seinem Gehirn aufzeigen würde. Er erinnerte sich, in einigen Artikeln gelesen zu haben, dass mit PET-Szintigrammen Abnormalitäten im Hirnstoffwechsel bei Schizophrenen zu erkennen waren.
War es das, worauf Axford aus war – wollte er beweisen, dass Alan einen Vogel hatte?
»Dr. Axford möchte, dass Sie vor der Szintigrafie ein wenig herumlaufen«, sagte sie, als sie die Nadel aus seinem Arm zog.
Anscheinend wollte Axford die Gehirntätigkeit nach körperlicher Anstrengung sehen.
Und wenn er ein für Schizophrene typisches Muster auf dem PET fand? Was war, wenn alles, was Alan in der letzten Zeit gesehen und getan hatte, niemals wirklich geschehen war? Was war, wenn dies alles Teil einer ausgeklügelten Wahnvorstellung war?
Nein, er würde nicht in diese Falle gehen. Ich bin NICHT verrückt, dachte er. Aber das sagen sie schließlich alle, oder?
Endlich waren die Tests abgeschlossen, und er saß in seinem spartanisch eingerichteten Zimmer im siebten Stock, als es an der Tür klopfte.
Es war Mr K. Er hatte eine richtig gesunde Gesichtsfarbe bekommen, sodass Alan ihn nicht sofort erkannte. Neben ihm stand ein Koffer.
»Bin nur kurz hier, um mich zu verabschieden«, sagte er und streckte seine Hand aus.
»Sind Sie entlassen?«
»Ja. Ich gehe für einen Samstagnachmittagspaziergang raus und komme nicht mehr zurück. Sie sagen, sie können mich nicht mehr gebrauchen, weil ich nicht mehr krank bin.«
»Hat man Ihnen gesagt, wie der Krebs verschwunden ist?« Er
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