Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
gibt bei dieser Gabe einen bestimmten Rhythmus, aber ich war bisher nicht in der Lage, ihn genauer zu bestimmen.«
»Wenn es einen Rhythmus gibt, dann werden wir ihn finden.«
»Gut. Darum bin ich hier. Sie werden mich auch untersuchen, nicht wahr?«
»Damit fangen wir morgen früh an.«
»Aber machen Sie es sorgfältig. Das ganze Programm.«
»Das habe ich vor.« Er bemerkte Bulmers bitteren Gesichtsausdruck. »Warum sagen Sie das so?«
»Weil irgendetwas mit mir nicht stimmt. Ich weiß nicht, ob es Stress ist oder etwas anderes, aber ich kann mich nicht mehr so wie früher an Dinge erinnern. Ich kann mich sogar nicht einmal mehr an die Hälfte der Leute erinnern, die ich geheilt habe. Aber ich habe sie geheilt. Das weiß ich.«
»Kurz- oder Langzeitgedächtnis?«
»Überwiegend Kurzzeitgedächtnis, glaube ich. Es ist alles ziemlich vage, aber irgendwas stimmt mit mir definitiv nicht.«
Charles gefiel das gar nicht, aber er behielt sich ein Urteil vor, bis er genügend Daten hatte, mit denen er arbeiten konnte. »Ruhen Sie sich heute aus, denn morgen und übermorgen nehmen wir Sie unter die Lupe, und wir werden ein ganz feines Raster anwenden.«
Als sich Charles zum Gehen wandte, sagte Bulmer: »Glauben Sie mir jetzt ein bisschen?«
Charles sah in diesem Moment in seinen Augen etwas, eine schreckliche Einsamkeit, die ihn berührte – trotz seines festen Willens, Alan Bulmer als billigen Betrüger zu entlarven.
»Ich glaube nicht an Glauben. Entweder weiß ich etwas, oder ich weiß es nicht. Und zurzeit weiß ich es nicht.«
»Das ist fair, denke ich.«
Charles eilte davon.
Es war zwar spät, aber Charles machte die Telefonanrufe trotzdem.
Er war Bulmers Notizen durchgegangen und konnte nicht glauben, was dieser Mann alles schwarz auf weiß niedergeschrieben hatte. Er hatte Daten und Zeitpunkte vermerkt. Er führte Namen an, selbst die von anderen Ärzten, bei denen die Patienten in Behandlung waren! Wenn er ein Betrüger war, dann war er entweder sehr naiv oder sehr dumm. Es würde so einfach sein, diese Leute aufzuspüren und die Angaben zu überprüfen.
Aber wenn Bulmer wirklich in einem Wahn lebte, konnte er auch durchgängig imaginäre Daten aufgezeichnet haben.
Charles konnte nicht genau begründen, warum er den großen Umschlag durchgesehen hatte, bevor er ihn zur Datenverarbeitung geschickt hatte, aber nun, nachdem er es getan hatte, fühlte er sich gezwungen, mindestens einen der erwähnten Ärzte anzurufen, um eine »Heilung« zu überprüfen.
Er suchte willkürlich einen Namen heraus: Ruth Sanders. Akute lymphozytische Leukämie. Er rief die Auskunft an, erhielt die Telefonnummer des Hämatologen, den Bulmer angegeben hatte und wählte die Nummer. Nachdem er sich an Dr. Nicholls’ Anrufsdienst vorbeigeblufft hatte, hatte er ihn selbst am Apparat.
Der Arzt war sofort misstrauisch und sehr vorsichtig. Wie es sich gehörte. Er wollte am Telefon keine vertraulichen Informationen an jemanden weitergeben, den er nicht kannte. Charles entschied, seine Karten offen auf den Tisch zu legen.
»Hören Sie, ich arbeite bei der McCready-Stiftung. Ich habe einen Patienten hier, der behauptet, Ruth Sanders’ Leukämie vor drei Wochen geheilt zu haben. Ich suche nach Beweisen dafür, dass er nicht alle Tassen im Schrank hat. Ich werde jetzt auflegen. Sie rufen mich hier in der Stiftung zurück – auf diese Weise werden Sie wissen, dass ich wirklich von hier aus anrufe – und fragen nach Dr. Charles Axford. Dann geben Sie mir bitte einige klare Antworten. Ich verspreche Ihnen, die bleiben unter uns.«
Charles legte auf und wartete. Drei Minuten später klingelte das Telefon. Es war Dr. Nicholls.
»Ruth Sanders’ Leukämie ist zurzeit in völliger Remission«, sagte er unverzüglich.
»Mit was für einer Therapie wurde sie behandelt?«
»Keine. Sie hat die weitere Behandlung wegen der Nebenwirkungen abgelehnt.«
»Und ihr peripherer Abstrich ist plötzlich normal?«
»So ist es.«
»Und was ist mit dem Knochenmark?«
Dr. Nicholls zögerte. »Normal.«
Charles spürte seine Kehle trocken werden.
»Und wie erklären Sie sich das?«
»Spontane Remission.«
»Natürlich. Vielen Dank.«
Er legte auf und durchsuchte den Umschlag nach weiteren »Heilungen«. Er fand eine, bei der sich Bulmer anscheinend nicht sicher war: ein Mädchen mit Alopecia areata maligna – sie war kahl wie eine Billardkugel in seine Praxis gekommen und so auch wieder gegangen. Er rief ihren Dermatologen an.
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