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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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Dorfes.
    Er erinnerte sich an den Tag, an dem die Missus Polyphem fand, so als wäre es erst gestern passiert. Er hatte sie von der Stadt zurückgefahren. Plötzlich hatte sie ihm befohlen anzuhalten. Als er anhielt, sah er den Grund: Eine Gruppe von vier etwa zehnjährigen Jungen jagte einen hinkenden ausgemergelten Hund und bewarf ihn mit Steinen. Plötzlich stolperte er, und schon waren sie über ihm. Sie schrien, als sie ihn umzingelten, und traten nach ihm.
    Bevor Ba noch wusste, was geschah, war die Missus aus dem Wagen gesprungen und rannte auf die Gruppe zu. Sie erreichte die Jungen gerade, als einer von ihnen einen schweren Stein hob, um ihn auf das schwache und erschöpfte Tier zu werfen. Die Missus stürzte dazwischen und schleuderte den Jungen mit einem heftigen Stoß beiseite. Er verlor das Gleichgewicht und fiel hin, sprang aber sofort wieder auf, mit erhobenen Fäusten und Wut im Gesicht. In diesem Augenblick kam Ba. Er sah den Jungen und wünschte ihm den Tod, weil er es auch nur einen Augenblick lang erwogen hatte, die Missus zu schlagen. Der Junge musste das in Bas Gesicht gelesen haben, denn er drehte sich um und rannte weg. Seine Freunde folgten ihm auf dem Fuße.
    Die Missus hatte sich über den keuchenden Hund gebeugt und sanft seine bebenden Flanken gestreichelt. Sie hob ihn auf und trug ihn zum Wagen. Ba erbot sich, den Hund zu tragen, aber sie befahl ihm, sofort zur Tierklinik zu fahren.
    In seiner Erinnerung sah er sie immer noch im Rückspiegel, wie sie da saß, mit dem Hund auf dem Schoß, und keinen Gedanken an das Blut verschwendete, das auf ihr teures Kleid und die Samtpolsterung tropfte. Der Hund hatte noch die Kraft, ihr einmal über die Hand zu lecken, und sie hatte gelächelt. Auf dem Weg zur Tierklinik hatte sie ihm erzählt, dass es Menschen gab, die wegzogen und ihre Haustiere einfach im Stich ließen. Da gab es treue Tiere, die tagelang vergeblich vor einer verschlossenen Hintertür saßen und darauf warteten, eingelassen zu werden. Schließlich, wenn Hunger und Durst zu stark wurden, versuchten diese Geschöpfe dann, sich auf der Straße durchzuschlagen, wofür sie aber denkbar schlechte Karten hatten, nachdem sie ihr Leben lang als Haustiere gehalten worden waren.
    In der Tierklinik erfuhren sie, dass ein Hinterlauf und drei Rippen gebrochen waren und dass das linke Auge von einem Stock durchbohrt worden war.
    Es ist besser, einen Hund zu töten und zu verzehren, als ihn so zu behandeln, hatte Ba gedacht.
    Die Knochen des Hundes heilten, aber das Auge war nicht zu retten. Die Missus nannte ihn Polyphem – einen Namen, den Ba nicht verstand – und jetzt war er seit fünf Jahren ein Mitglied des Haushalts.
    »Nicht heute Abend«, befahl Ba dem Hund, als er versuchte, ihm zu folgen. »Du hast ein zu großes Herz. Das könnte dir im Weg sein.«
    Er schloss die Tür vor seinem Winseln und Bellen, stieg in die Garage hinunter und begab sich durch den Hinterausgang in den Garten. Über dem Meer stieg langsam ein Halbmond auf. Ba hielt sich im Schatten der Trauerweiden am Rand des Grundstücks entlang, bis er geduckt über ein kleines Stück Rasen zu den Büschen um das Haus herum sprinten konnte. Schnell und leise arbeitete er sich durch das Gebüsch voran.
    Er fand sie auf der westlichen Seite. Sie hatten bereits einen der Fensterflügel aufgebrochen, und einer von ihnen half dem anderen beim Einsteigen.
    Ba blieb hinter einem Rhododendron, als er sie ansprach.
    »Ihr seid der Missus nicht willkommen. Verschwindet!«
    Der eine am Fenster ließ sich fallen und sah zu der Stelle, wo sich Ba versteckte.
    Ba erkannte in ihm denjenigen wieder, den er neulich verscheucht hatte.
    »Schon wieder dieses Schlitzauge!«, sagte der Kleinere. Zwei Messer funkelten plötzlich im Mondlicht.
    »Auf ihn!«
     

3. Sylvia Nash
     
    »Ba?«
    Wo ist er nur?, fragte sich Sylvia. Sie befand sich an ihrem Arbeitsplatz im Gewächshaus, das ihr als Arboretum diente, und sah sich suchend im Garten um. Jeden Morgen fast zur gleichen Zeit begann er seine Arbeit mit dem Gießen der Bäume im Treibhaus. Aber die Schalen unter den Töpfen waren trocken, und er war nirgendwo zu sehen.
    Vivaldi-Klänge von der CD, die seit gestern Abend im Player steckte, lagen in der Luft. Sylvia legte die Essstäbchen beiseite, die sie zum Lockern der Erde um den Bonsai-Schössling verwendet hatte, und wischte sich die Hände ab. Der Ishi-Zuki musste umgepflanzt werden, und sie brauchte Hilfe. Der neue Fukuroshiki-Topi war mit

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