Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
jeden Tag mit ihm …
Sylvia schluckte hart, um den Knoten in ihrer Brust aufzulösen. Sie fühlte sich so hilflos! Wenn er doch nur …
Sie widerstand dem Drang, die Bonbons weit weg zu werfen und ihre Enttäuschung hinauszuschreien. Stattdessen packte sie die Schachtel wieder in ihre Tasche. Heute Nachmittag würde sie eine ausgedehnte Therapiesitzung mit ihm versuchen. Sie richtete sich auf und strich sanft über das goldene Haar des Kindes, das sie so liebte.
Ein alter Traum blitzte kurz auf – Jeffy rannte über diesen Rasen auf sie zu, ein breites Lächeln auf seinem runden kleinen Gesicht, die Arme weit für sie geöffnet, als sie ihn hochhob, lachend, ihn herumwirbelte, rief er: »Mach noch mal, Mama!«
Der Traum verblasste genauso plötzlich, wie er gekommen war. Es war ein alter Traum, der verblichen und verwittert war. Es war besser, nicht daran zu denken.
Sie sah Jeffy einen Moment lang intensiv an. Körperlich schien es ihm heute Morgen gut zu gehen. Kein Fieber, keine Anzeichen von Beschwerden, seit er erwacht war. Im Gegenteil – nach dem Aufstehen war er sofort zum Kühlschrank gelaufen. Aber Sylvia hatte ihn hierhergebracht. Sie wollte mit dem Frühstück noch ein wenig warten, um zu sehen, ob ihm doch etwas fehlte. Sie hatte die Schule angerufen und ihn für diesen Tag entschuldigt.
Sie drehte sich um und sah zur Garage. Die dicke Doppeltür war offen, aber es war nichts zu sehen. Dann vernahm sie Polyphems vertrautes Bellen von der westlichen Seite des Hauses und ging ihm nach.
Als sie um die Ecke bog, kam Ba gerade auf der anderen Seite um die Ecke und trug den neuen Baum. Der Anblick verblüffte sie. Als der sieben Meter hohe Pfirsichbaum zwei Tage vorher von der Baumschule geliefert wurde, mussten drei Männer ihn vom Lastwagen heben. Ba hatte jetzt die Arme um den mit Sackleinen umwickelten Wurzelballen gelegt und trug ihn allein.
»Ba! Das ist doch viel zu schwer!«
»Nein, Missus«, sagte er, als er ihn abstellte. »Als ich noch ein Junge war, waren die Fischernetze oft schwerer.«
»Vielleicht.« Wahrscheinlich wurde man wirklich sehr kräftig, wenn man von klein auf mit Fischen gefüllte Netze aus dem Wasser ziehen musste. »Aber sei vorsichtig.«
Sie bemerkte, dass Ba ein ziemlich großes Stück Rasen ausgegraben hatte.
»Wann bist du denn aufgestanden, dass du schon so viel geschafft hast?«
»Sehr früh.«
Sie sah wieder hin. Daran bestand kein Zweifel. Die abgedeckte Rasenfläche war viel größer, als für einen Baum notwendig gewesen wäre.
»Sie möchten doch Blumen um den Baum, oder, Missus?« Ba schien ihre Gedanken zu lesen.
»Ein Blumenbeet. Ja, ich glaube, das wäre schön.«
Sie blickte flüchtig zu dem älteren Pfirsichbaum, der zehn Meter entfernt stand. Dort wäre dann auch ein Blumenbeet zum Ausgleich notwendig. Vielleicht könnten sie in diesem Jahr sogar ein paar Pfirsiche ernten, wenn sich die Bäume gegenseitig bestäubten.
Sie sah ihm beim Graben zu. Ba hatte einen angeborenen Sinn für Ästhetik, und für einen Mann, der am Meer aufgewachsen war, hatte er ein erstaunliches Händchen für Pflanzen. Als er zu ihr kam, hatte er nichts über Gartenarbeit gewusst, aber er hatte schnell und gut gelernt. Er war mittlerweile auch ein erfahrener Assistent bei ihrer Bonsai-Zucht. Und seitdem er ihr Fahrer war, hatte er sich zu einem erstklassigen Automechaniker entwickelt. Es schien nichts zu geben, was er nicht meistern konnte.
Sie half ihm, den mit Sackleinen umwickelten Wurzelballen in das Loch in der Mitte der Parzelle zu stecken. Als er begann, die Erde aufzufüllen, sah sie den behelfsmäßigen Verband um seinen Arm.
»Hast du dich geschnitten?«
Er blickte kurz auf seinen Unterarm. »Es ist nichts. Ich habe nicht aufgepasst.«
»Aber wie …«
»Machen Sie sich bitte keine Sorgen, Missus. Es wird nicht wieder passieren.«
»Gut.« Sie beobachtete ihn, wie er die Erde um den frisch gepflanzten Baum mit der flachen Seite der Schaufel festklopfte. »Es scheint eine Menge Erde übrig zu bleiben.«
»Das liegt daran, weil ich Torfmoos und eine besondere Wurzelnahrung hinzugefügt habe.«
»Man soll einen frisch gepflanzten Baum nicht düngen, Ba.«
»Das ist eine besondere Nahrung, die die Wurzeln nicht beschädigen wird. Etwas, was ich in meiner Heimat gelernt habe.«
»Was ist es?«
»Das ist ein Geheimnis, Missus.«
»Gut. Komm ins Arboretum, sobald du fertig bist.«
Lächelnd und kopfschüttelnd drehte sich Sylvia um und ging hinter das
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