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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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Haus. Geheime Wurzelnahrung … aber sie ließ ihm seinen Willen mit dem Garten. Er leistete vorzügliche Arbeit, und sie fand, da solle man sich dann nicht einmischen.
    Sie holte Jeffy von seinem Löwenzahn weg und setzte ihm sein Frühstück vor. Gladys hatte ihm Haferbrei gemacht und er machte sich mit Appetit darüber her. Heute Morgen schien mit seinem Magen alles in Ordnung zu sein.
    Wie immer hatte Alan recht behalten.
    Auf dem Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz blieb Sylvia stehen und betrachtete den Ishi-Zuki aus einiger Distanz. Die Galerie war wirklich scharf auf diese Pflanze. Mindestens zweimal in der Woche rief jemand an und fragte, wann denn endlich geliefert würde.
    Wer hätte gedacht, dass sie mit ihrem Hobby zum letzten Schrei in der New Yorker Kunstszene und Schickeria aufsteigen würde? Man zählte nicht, wenn man nicht wenigstens eine Baumskulptur von Sylvia Nash herumstehen hatte.
    Sie lächelte beim Gedanken daran, wie simpel alles angefangen hatte.
    Die Kunst des Bonsai hatte Sylvia schon von frühester Jugend an fasziniert. Sie war zufällig auf ein Buch über die Miniaturbäume gestoßen und diese Aura der Zerbrechlichkeit und der Alterslosigkeit hatte sie angesprochen. Sie versuchte sich selbst daran und stellte fest, dass sie für diese Kunst ein Händchen hatte. Nachdem sie sich viele Jahre mit Bonsais beschäftigt hatte, hatte sie es fast zur Meisterschaft gebracht.
    Aber nach Gregs Tod vernachlässigte sie die Bäume, und eine ihrer geliebten Pflanzen ging ein. Sie hatte diese spezielle Mädchenkiefer jahrelang gestutzt und verdrahtet und es so von einem gewöhnlichen Haufen Blätter und Äste zu einem stimmigen Kunstwerk geformt. Der Verlust schien umso tragischer, nachdem sie schon Greg verloren hatte. Die Pflanze steckte in ihrem Topf, die Nadeln färbten sich braun und die Wurzeln verrotteten unrettbar. Wenn die Nadeln schließlich abfielen, würde nur noch der nackte Stamm übrig bleiben.
    Dann erinnerte sich Sylvia daran, einmal die Vorführung einer neuen Technik gesehen zu haben, durch die mithilfe von Laserabtastung Kopien von Büsten und Statuen angefertigt wurden. Sie stellte Nachforschungen an, fand eine Werkstatt, die mit dieser Technik arbeitete, und ließ ihren eingegangenen Baum mit Topf und allem aus einem Eichenblock herausschneiden. Sie war von dem Ergebnis begeistert: Die äußeren Nadeln waren exakt wiedergegeben, die Maserung der Rinde und sogar das Moos am Boden des Baumes waren für immer konserviert. Sie bemalte die Skulptur und stellte sie auf den früheren Platz zu den anderen Bonsais. Dieser brauchte kein Wasser mehr, er musste nicht gestutzt und verdrahtet werden. Er war perfekt. Für immer.
    Dabei wäre es dann geblieben, wenn ihr nicht ein paar Jahre später die Geschenkideen für die Leute auf ihrer Weihnachtsliste ausgegangen wären. Da fiel ihr Blick auf den lasermodellierten Bonsai, und plötzlich hatte sie eine Eingebung: Warum sollte sie nicht einen ihrer Lieblingsbonsais zu dem Laserstudio bringen und ein Dutzend Kopien anfertigen lassen? Das war doch einmal etwas! Ein einzigartiges persönliches Geschenk.
    Und so wurde es zur einer Art Tradition, einige ihr wichtige Personen mit der Laserskulptur eines Bonsais zu beschenken. Wahrscheinlich wäre auch nicht mehr daraus geworden, wenn sie nicht eines ihrer Experimente als Modell benutzt hätte.
    Dieser besondere Baum war eigentlich ein Ulk gewesen – eine Mischung aus Bonsai und Formschnitt. Sie hatte einen ziemlich großen Buchsbaum ungehindert wachsen lassen, damit er sich an den Topf gewöhnen konnte. Aus irgendwelchen Gründen hatte seine zylindrische Form sie an einen Wolkenkratzer erinnert, und aus einer Laune heraus begann sie, ihn in der Form des Empire State Buildings zu schneiden und zu formen. Sie ließ zehn Laserskulpturen von ihm anfertigen und verschenkte sie zu Weihnachten.
    Ende Januar klopfte der Besitzer einer Kunstgalerie aus Manhattan an ihre Tür und wollte ihr einen Vorschlag machen. Er sprach nur über den Empire-Bonsai, lobte in den höchsten Tönen die »subtile Verschmelzung des von Menschenhand Geschaffenen und des Natürlichen«, ihren »genialen Einfall, modernste Technik einzusetzen, um eine uralte Kunstform zu bewahren« und so weiter. Er machte »Oh« und »Ah«, als sie ihn durch ihre Sammlung führte, und quietschte verzückt, als er ihren Sokan-Baum sah, dessen zwei Stämme in der Mitte zusammenwuchsen und sich dann zur New Yorker Skyline auffächerten.
    Seitdem

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