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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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überlebensnotwendigen Teile seines Gehirns aufgebraucht hat und jetzt auf die kritischeren Bereiche zusteuert. Man kann nicht vorhersehen, was als Nächstes kaputtgeht, wenn er sie weiter anwendet. Wenn sie das Bewegungszentrum lahmlegt, wird er zum Krüppel; wenn sie Teile der Sehrinde zerstört, könnte er teilweise oder völlig erblinden. Und wenn sie zufälligerweise einen Bereich wie das Atemzentrum im Hirnstamm ausradieren sollte, stirbt er!«
    Sylvia konnte kaum noch atmen.
    »Oh Gott, Charles, was sollen wir nur tun?«
    »Isoliere ihn, halte ihn geschützt und glücklich, und lass ihn nicht in Kontakt zu anderen Menschen kommen, die er heilen könnte, wenn die Flut kommt. Nach einer gewissen Zeit und unter der Voraussetzung, dass der Schaden noch nicht zu groß ist, denke ich, wird sich sein Gehirn erholen. Zumindest teilweise. Aber dafür kann ich nicht garantieren. Natürlich ist es jetzt das Wichtigste, ihn erst einmal zu finden.«
    »Er ist auf dem Weg hierher«, sagte Sylvia mit sinkendem Mut.
    »Nun gut. Dann ist es ja kein Problem.«
    »Er kommt wegen Jeffy.«
    »Oh ja, er hat Jeffy in der Stiftung erwähnt.« Er machte eine längere Pause. »Das stellt ein Problem dar, nicht wahr? Ein moralisches Dilemma, könnte man sagen.«
    Der Donner rollte.
    Sylvia konnte nicht antworten.
    »Ruf mich an, wenn ich irgendetwas tun kann«, sagte Charles. » Jederzeit. Ich bin dem Mann was schuldig.«
    Sylvia legte auf und holte Jeffy aus dem Wintergarten herein. Sie zog die Vorhänge in der Bibliothek zu, setzte sich auf die Couch und drückte Jeffy, der immer apathischer wurde, eng an sich, während sie dem wachsenden Toben des Sturms lauschte.
    In den Fünf-Uhr-Nachrichten gab es die ersten Stellungnahmen von Politikern, die den Mut und die Integrität des verstorbenen Senators James A. McCready würdigten. Sylvia schaltete die Lobhudeleien aus.
    Was soll ich nur tun?
    Sie wusste, was für eine Entscheidung da auf sie zukam, und sie wollte nicht wählen. Gemäß der Tabelle würde die Flut um 22:43 Uhr in Monroe einsetzen. Wenn Alan um diese Zeit kam, musste sie eine Entscheidung treffen: ein sinnvolles Leben für Jeffy gegen Gehirnschäden, vielleicht sogar den Tod für Alan.
    Sie zog Jeffy noch näher an sich und schaukelte ihn vor und zurück wie ein Kind einen Teddybären.
    Ich kann diese Entscheidung nicht treffen!
    Vielleicht brauchte sie es auch gar nicht. Vielleicht konnte Ba ihn abfangen und zu Charles oder jemand anderem bringen, wo er ausruhen und sich erholen konnte. Das würde sie aus dem Dilemma retten, entweder ihn einen Weg gehen zu lassen, von dem er dachte, dass er ihn gehen musste, oder sich ihm in den Weg zu stellen und ihn so lange aufzuhalten, bis die Stunde des Dat-tay-vao vorüber wäre.
    Und später, wenn Alan Tage und Wochen Zeit haben würde, um sich zu erholen, und wenn sich sein Gehirn regeneriert hätte und er sich seines Tuns bewusst werden und die Risiken klar erkennen würde, dann könnte sie ihn vielleicht das Dat-tay-vao bei Jeffy ausprobieren lassen.
    Aber was, wenn das Dat-tay-vao dann schon nicht mehr bei Alan war?
    Sylvia drückte Jeffy noch enger an sich.
    Was soll ich nur tun?
    Sie sah auf die Uhr an der Wand – 17:15 Uhr. Noch fünfeinhalb Stunden.
     
    Alan spürte, dass er nass war. Es regnete in Strömen. Der Regen durchweichte seine Kleidung und lief an seinen Armen und Beinen herunter. Das Wasser in seinen Schuhen quietschte bei jedem Schritt.
    Er war eine lange Zeit gelaufen, so schnell, wie es ihm sein geschwächtes linkes Bein ermöglichte. Er war sich nicht sicher, wo er war, aber er wusste, er war Jeffy näher gekommen. Er hatte eine Brücke über einen Fluss überquert und lief nun in eine enge Gasse hinein, in der sich auf beiden Seiten heruntergekommene Appartementhäuser befanden. Er kam zu einem Vordach, das Schutz vor dem strömenden Regen bot. Er hielt an und lehnte sich gegen die Wand, um sich auszuruhen.
    Zwei andere Männer standen bereits da.
    »Verschwinde, du Arschloch«, sagte einer von ihnen. Alan versuchte, den Sprecher im Halbdunkel auszumachen. Er sah einen schmutzigen Mann, dessen lange Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren und der eine abgetragene Jeans und ein T-Shirt trug, das vielleicht einmal gelb gewesen war. »Hier ist besetzt.«
    Alan wusste nicht, warum der Mann so unfreundlich war, aber er nahm es als Ratschlag an. Er musste weiter. Er musste zu Jeffy. Das bisschen Regen durfte ihn nicht aufhalten. Er wandte sich

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