Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
Monstrum auf ihn zuraste.
Und dann ein anderes Geräusch – das Öffnen der Fahrstuhltür. Er sprang hinein, riss die Sackkarre hinter sich her und drückte im gleichen Moment auf den Knopf, der die Türen schloss. Die Kauwespe versuchte, seiner Bewegung zu folgen, kriegte aber die Kurve nicht. Sie prallte gegen die Kante der offenen Tür und stürzte mit einem abgeknickten, verdrehten Flügel zu Boden. Sie zappelte und flatterte und summte wütend auf dem Teppichboden, während Hank hektisch den Knopf zum Erdgeschoss drückte. Als die Türen sich zu schließen begannen, spreizte sich der Flügel der Wespe wieder und das Insekt warf sich dem Fahrstuhl entgegen. Hank krümmte sich zusammen, aber die Türen schlossen sich, bevor das Geschöpf ihn erreichte.
Mit beiden Händen auf seinen rumorenden, revoltierenden Magen gedrückt lehnte sich Hank an die Rückwand des abwärtsfahrenden Fahrstuhls und ging keuchend und schweißnass in die Hocke. Er wollte sich nicht mehr rühren. Er wollte in diesem fensterlosen Stahlkasten bleiben und auf den Tag warten. Aber dann rappelte er sich auf die Füße. Der Fahrstuhl war auf dem Weg nach unten und er musste aus der Stadt hinaus. Vor allem musste er die Vorräte zu seinem Kombi bringen, bevor noch andere Überlebende auftauchten.
Das Kabinenlicht flackerte und der Fahrstuhl ruckelte und blieb stehen. Oh Gott! Was, wenn er jetzt hier stecken blieb?
Dann setzte sich die Kabine wieder in Bewegung.
Es gab gar keine andere Möglichkeit: Er musste sofort verschwinden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Strom komplett ausfiel.
Als sich die Türen im Erdgeschoss öffneten, spähte Hank zunächst vorsichtig hinaus. Es herrschte Halbdunkel. Die elektrischen Lampen waren entweder ausgeschaltet oder kaputt. Und nicht nur die Lampen waren zerbrochen: Rechts von ihm glitzerten im fahlen Licht der beginnenden Dämmerung verstreute blaugrüne Scherben von der Haustür und den Fenstern. Und da, bei den Überresten der Tür, war auch noch etwas anderes.
Hank presste die Augen zusammen. Noch ein Leichnam. Er lauschte auf das Geräusch von Flügeln. Alles still. Er holte tief Luft, kippte die Sackkarre an und rollte sie der Tür entgegen. Neben der Leiche wurde er langsamer. Dieses Opfer war männlich und nur wenig angefressen, aber sehr blass und sehr tot. Auch ihn erkannte er nicht. Hank wurde plötzlich bewusst, wie wenige seiner Nachbarn er überhaupt kannte. Vielleicht war das auch ganz gut so. Er blickte in die weit aufgerissenen starren Augen des Mannes und erschauerte.
Wie bist du gestorben?
Wie als Antwort darauf hörte er ein Geräusch, etwas zwischen einem Schnalzen und einem Gurgeln. Es schien von der Leiche zu kommen. Er starrte auf den Mann und sah, wie die Kehle zuckte und der Kiefer sich bewegte. Aber er konnte nicht mehr am Leben sein! Nicht mit diesen blicklosen Augen!
Und dann öffnete sich der Mund des toten Mannes und Hank sah, wie sich etwas darin bewegte. Nein, nicht mehr darin. Es glitt heraus. Ein abgeplatteter, breiter, zangenbewehrter Schädel, dunkelbraun an den Stellen, wo er nicht blutrot verschmiert war, gefolgt von einem anderthalb Meter langen gewundenen Körper vom Umfang einer Bierdose, angetrieben von zahllosen winzigen, gummiartigen Beinen, von denen überall das Blut troff.
Eine Art riesiger Tausendfüßler, der sich aus dem Schlund der Leiche zwängte und ihn attackierte. Und er war schnell, verdammt schnell.
Hank schrie auf und stolperte rückwärts durch die Eingangshalle. Er blieb erst stehen, als seine Knie das Sofa an der Wand erreichten, dann sprang er hinauf und versuchte, an der Wand hochzuklettern.
Aber das Untier war gar nicht an ihm interessiert. Es steuerte dem Eingang entgegen, glitt über die Glasscherben auf die Straße. Bestimmt auf dem Weg zum nächsten Loch.
Etwas Derartiges hatte er noch nie gesehen. Es musste der aktuellste Neuzugang aus dem Krabblerpanoptikum sein.
Ihm wurde klar, dass er sich wie eine alte Jungfer gebärdete, der eine Maus begegnet war. Er sprang von dem Möbelstück hinunter, rannte zum Eingang und blickte nach draußen.
Montagmorgen. Der Himmel war irgendwie seltsam. Es war noch nicht ganz hell. Für gewöhnlich füllten sich die Bürgersteige jetzt mit Leuten, die Straßen waren voller Taxis, Autos und Lieferwagen. Aber nichts rührte sich. Halt, nein. Die Straße hoch bemerkte er einen Krabbler von der Größe einer Mülltonne, mit weit gespreizten, bösartigen Kauwerkzeugen, der in Richtung
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