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Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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verschaffen wollte. Also hatte er nur dagesessen, mit zusammengebissenen Zähnen und auf die Ohren gepressten Händen, und darauf gewartet, dass sie wieder ging. Ein plötzlicher, qualvoller Schrei gellte durch seine Handflächen hindurch und er nahm die Hände von den Ohren, um zu lauschen. Er hörte keine weiteren Schreie mehr, nur noch ein heftiges Trommeln auf dem Boden vor der Tür, begleitet von gedämpftem, gurgelndem Schluchzen, das schrecklich anzuhören war. Danach nichts mehr.
    Vollkommen verstört wollte Hank sich gerade wieder umdrehen und unter seine Decke zurückkriechen, als er das Blut unter der Tür hindurchsickern sah. Es bildete an der Türschwelle eine Lache. Er würgte und rannte ins Badezimmer.
    Später, als sein Magen sich wieder weit genug beruhigt hatte, machte er Kaffee und sah fern, wobei er die Lautstärke aber so weit heruntergedreht hatte, dass kaum etwas zu hören war. Dann und wann flackerte das Bild, aber der Strom versiegte nie ganz. Für den Fall der Fälle hatte er noch ein tragbares, batteriebetriebenes Gerät. Außer Predigern und Nachrichten – Katastrophenmeldungen – gab es so gut wie nichts anderes mehr.
    Der Präsident hatte den nationalen Notstand ausgerufen, aber das Militär war hilflos angesichts eines so übermächtigen Feindes, der sich mitten unter der Bevölkerung bewegte, die es zu beschützen galt. Diejenigen, die Frauen, Kinder oder Eltern hatten, blieben zu Hause, um die eigenen Familien zu retten. Die Übrigen waren zahlenmäßig vollkommen unterlegen. Für jedes Loch, das durch Sprengungen verschlossen wurde – da wo es überhaupt machbar war –, taten sich anderswo zwei neue auf. Die Bürger verloren rapide das Vertrauen in die Fähigkeit ihrer Regierung, der Lage Herr zu werden. Der gesellschaftliche Zusammenhalt – wenn es so etwas je gegeben hatte – brach auseinander.
    Die Nachrichten bestärkten Hank nur in seinem Entschluss, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Warum sollte er überhaupt bis Sonnenaufgang warten? Am Horizont wurde es jetzt bereits heller. Diese Kreaturen mussten eigentlich schon wieder auf dem Rückweg zu ihren Löchern sein, wenn sie die vor den ersten Sonnenstrahlen erreichen wollten. Vielleicht konnte er den Wagen beladen, bevor jemand anderes Wind davon bekam.
    Der erste Stapel stand bereits mit einer Decke verhüllt auf der Sackkarre. Hank hob den Balken und öffnete die Tür für einen hastigen Blick.
    Da draußen war jemand. Links den Korridor hinunter lag eine verkrümmte Gestalt reglos auf der Seite in der Nähe der Fahrstühle. Sonst war niemand in Sicht. Er trat aus der Tür, schloss hinter sich ab und schob die Sackkarre vor sich her neben den blutigen Schleifspuren entlang, die von seiner Tür zu der leblosen Gestalt führten.
    Es war eine Frau. Oder war eine Frau gewesen. Hank zwang sich hinzusehen. Er konnte die Überreste niemandem zuordnen, den er kannte. Der Körper war verschrumpelt, wie ausgetrocknet, die ganze unbedeckte Haut war zerfetzt und zerkaut, aber merkwürdig blutleer. Er unterdrückte den Würgereiz und redete sich ein, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, die Tür letzte Nacht nicht zu öffnen. Wenn er es getan hätte, wäre er jetzt vielleicht ebenfalls tot. Er sagte sich das mehrere Male, während er sich von der Frau abwandte und auf den Fahrstuhl wartete.
    Er wirbelte herum, als er ein wütendes Sirren vom linken hinteren Ende des Korridors hörte. Dort waren mehrere der Deckenplatten defekt. Er konnte nichts sehen, aber dieses Sirren kannte er. Flügel. Große, doppelte Libellenflügel. Das Geräusch hatte er in den letzten Nächten zur Genüge gehört. Und dann hörte er noch ein anderes Geräusch – die mahlenden Zähne einer Kauwespe.
    Die Panik drückte ihm hart auf die Blase. Er war zu früh! Er hatte seine Wohnung verdammt noch mal zu früh verlassen!
    Im ersten Moment wollte er zurückrennen, aber die Vorstellung, davorzustehen und nach seinem Schlüssel zu suchen, mit einer angreifenden Kauwespe im Nacken, hielt ihn zurück. Er hämmerte wahllos auf den AUF- und den AB-Knopf, alles, was den Fahrstuhl schneller heranholen könnte.
    Das Sirren klang lauter, bösartiger, näher. Und dann sah er den Ursprung des Geräusches, als das Insekt das beleuchtete Areal erreichte und in annähernd anderthalb Meter Höhe durch den Korridor direkt auf ihn zuschoss. Das Mahlen der Zähne wurde hektischer. Schreckensstarr, mit einem Angstschrei auf den Lippen, sah Hank zu, wie das

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