Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
endlich Zeit für mein eigenes Zimmer. Ich wische gerade den Staub vom Fensterbrett, als plötzlich Mutter mit finsterer Miene in der Tür steht. In einer Hand hält sie ein winziges Stückchen Seife, in der anderen eine kaputte Tasse.
»Was ist das hier?«, fragt sie und hält beides in die Höhe.
»Ist das eine … rhetorische Frage?«, frage ich vorsichtig.
Mutter hält das Stückchen Seife und die Tasse noch ein bisschen mehr in meine Richtung.
»Es ist ein Stückchen Seife und eine kaputte Tasse«, sage ich schließlich.
»Und hast du sie weggeworfen?«, fragt Mutter wütend. »Ich habe sie im Mülleimer gefunden.«
»Ja«, gestehe ich.
Ich hätte es besser wissen müssen. Wider besseres Wissen hatte ich gehofft, ich könnte in all dem Gemache und Geputze ein paar Dinge wegwerfen und Mutter würde es nicht merken, Dinge, die normale Menschen niemals behalten würden.
»Das hier ist eine noch absolut brauchbare Seife, und diese Tasse wollte ich nächstens reparieren«, sagt Mutter.
Ich spüre Wut in mir aufsteigen. Als wäre es nicht genug, dass morgen Sylwia und Miss-tote-Dachse-sind-ein-tolles-Geschenk-Piggy bei uns einfallen!
»Die Seife ist so klein und trocken, dass man keine Ameise mehr damit waschen könnte«, sage ich mit heiß glühenden Wangen. »Und gib zu, dass du nicht mal weißt, wo das fehlende Stück von der Tasse ist!«
Aber noch während ich mich zu verteidigen versuche, weiß ich, dass die Schlacht verloren ist.
# 243 Akzeptiere, dass man nichts wegwerfen darf. Niemals. Dies gilt vor allem für rostige Haken, kaputte Toaster, Schuhe ohne Sohlen, das Wachs geschmolzener Kerzen, Gummihandschuhe mit Löchern und uralte verkalkte Wasserhähne. Es gibt immer irgendeinen Verwandten in Polen, der das alles eines Tages wird brauchen oder reparieren können.
»Alicja, es ist …«, beginnt Mutter, aber in derselben Sekunde kommt Pan Bogusław ins Zimmer.
Er ist bleich, und seine Augen sind weit geöffnet.
»Pani Beata, Sie müssen nach unten kommen«, sagt er.
»Was ist passiert?«, fragt Mutter.
Aber Pan Bogusław ist schon wieder verschwunden.
Wir beschließen stillschweigend eine befristete Waffenruhe und gehen zusammen nach unten. Die polnischen Handwerker stehen in der Badezimmertür.
»Es ist fertig«, sagt Pan Maciej leise. »Wir sind fertig.«
Und er hat recht. Pan Maciej hat nichts weniger als einkleines Meisterwerk geschaffen. An der Decke hängen zierliche Lampen und geben ein warmes, gemütliches Licht. In einer Ecke steht eine weiße Badewanne mit verschnörkelten Beinen und großen klassischen Wasserhähnen. Wir haben jetzt zwei Waschbecken anstatt nur einem, was bedeutet, dass ich nie mehr Zahnpastakrieg mit Rafał führen muss. Aber mein persönlicher Favorit ist die Dusche mit Wänden aus gefrostetem Glas. Pan Maciej hat die Rückwand in mehreren verschiedenen Farben gefliest, es sieht aus, als rollten Wellen über die Wand, und es gibt eine Regendusche oben und eine kleine Handdusche unten. Es ist, als hätten wir eine eigene kleine Badelandschaft bekommen.
Pan Maciej steht schüchtern neben uns und sieht mit einem kleinen stolzen Lächeln zu Boden.
»Pan Maciej …«, ist alles, was Mutter herausbringt.
»Ist doch nicht der Rede wert«, sagt er.
»Kommt und schaut euch die Küche an!«, sagt Pan Bogusław ungeduldig.
Wir marschieren im Gänsemarsch in die Küche. Wo alles … wieder genauso aussieht wie vorher. Die alte Küche von vor der Renovierung ist zurück.
»Das ist …«, beginnt Mutter, und ich kann sehen, dass sie nicht weiß, wie sie den Satz beenden soll.
»Nichts zu danken. Es war das reinste Vergnügen«, sagt Pan Bogusław und wehrt mit den Händen ab, als wären Mutter und ich kurz davor, ihn zu umarmen und mit Küssen zu überschütten.
Als ich etwas genauer hinschaue, sehe ich trotz allem gewisse Veränderungen: Einer der Wasserhähne tropft langsam, aber stetig, die Türen der Küchenschränke sind falscheingehängt, der Kühlschrank knackt, brummt und stöhnt, was er vorher nie getan hat, alle Fliesen sitzen leicht schief, und die Arbeitsplatte zeigt eine interessante Schräge. Egal: Wir haben wieder eine Küche.
Später am Abend fährt der dunkelblaue BMW von Tante Jadwiga und Klaus-Günter in den Hof. Statt die Fähre von Travemünde nach Trelleborg zu nehmen, sind sie mit dem Auto durch ganz Dänemark gefahren. Vom offenen Meer bekommt Klaus-Günter Ausschlag.
Wie sich später herausstellt, ist ihr Auto mit noch mehr Essen für die
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