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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy Abrahamson
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Klaus-Günter, als er wieder zu sich kommt.
    »Nichts, Schatzi, nichts« , antwortet Jadwiga, während sie seinen kahlen Scheitel mit Küsschen bedeckt.
    Mutter läuft mit einem großen Glas Zider für Gun-Britt an den beiden vorbei.
    »Trink das!«, sagt sie, und die dankbare Gun-Britt leert das Glas mit einem Zug und scheint sich auch gleich besser zu fühlen.
    »Die Hälfte war Wodka«, flüstert Mutter mir zu, bevor sie sich kichernd entfernt.
    Als alle Tische und Stühle wieder an ihrem Platz stehen, sammle ich, so gut es geht, das kaputte Geschirr und die kaputten Gläser ein. Und plötzlich wird mir bewusst, dass neben mir noch jemand in die Hocke gegangen ist, um mir zu helfen. Zufällig greifen unsere Hände nach demselben zersprungenen Teller. Es ist Natalie. Für einen kurzen Moment erstarren wir beide.
    »Nimm du ihn«, sage ich. »Als Erinnerung an die schlimmste Hochzeit aller Zeiten.«
    Natalie antwortet nicht.
    »Oder wie wär’s mit polnischem Salat?« Ich zeige auf ein glitschiges Häufchen.
    »Nein, danke«, sagt Natalie, aber ich meine, den Anflug eines Lächelns in ihrem Gesicht zu erkennen.
    »Bist du sicher? Schwedisches Gras macht ihn noch exquisiter«, sage ich.
    Natalie antwortet nicht, aber jetzt ist das Lächeln nicht zu übersehen. Seite an Seite klauben wir die Reste des Essens von der Erde, und aus irgendeinem Grund fangen wir irgendwann an zu kichern. Der Anblick einer eingelegten Gurke in einem Wodkaglas ist es dann, der uns in solche Lachkrämpfe stürzt, dass wir uns an den Tisch setzen müssen. Ich lache, bis mir der Bauch wehtut, und ich spüre, wie sich der Orkan in mir in einer sanften Brise auflöst und plötzlich ganz verschwunden ist.
    »Alicja, hilfst du mir, die Kerzen suchen?«, fragt Rafał, der schon auf dem Weg zum Haus ist. »Falls du mit dem Kotelettwerfen fertig bist, meine ich.«
    Ich stehe auf und strecke ihm die Zunge heraus.
    »Unsere Nervenheilanstaltspatientin«, sagt er und fährt mir mit den Fingern in die Haare.
    »Selber Nervenheilanstaltspatient«, sage ich.
    »Ich hätte die Koteletts tatsächlich lieber gegessen «, sagt er.
    »Musst du wirklich nach Norwegen?«, frage ich, und wir bleiben beide stehen.
    »Äij’ll bee bäck« , sagt Rafał in Arnold Schwarzeneggers österreichischem Englisch.
    Er zaust mir noch einmal die Haare, dann gehen wir die Kerzen suchen.
    Als es dämmert, sitzen alle wieder um den Tisch. Wir habenkeinen Strom, aber überall Kerzen mit ihrem milden, schönen Schein. Mutter und Jadwiga haben noch genügend Teller und Gläser gefunden. Dass nichts mehr zusammenpasst, spielt keine Rolle.
    »Würstchen! Wer möchte noch deutsche Würstchen?«, ruft Rafał von dem Feuer, das er und Pan Maciej mitten im Hof gemacht haben, weil wir im Haus fürs Erste kein warmes Essen mehr kochen können.
    »Ich! Ich!«, rufen mehrere Leute gleichzeitig und heben die Hand.
    »Evert, ein Extrawürstchen vor der Hochzeitsnacht?«, fragt Rafał.
    Aber Evert hört es gar nicht. Er und Sylwia sitzen wie zu Anfang auf dem Platz für das Brautpaar, nur sehen sie bei Kerzenlicht beide um Jahre jünger aus, und sie strahlen vor Glück. Gerade flüstert Evert etwas, was Sylwia zum Erröten bringt, und sie haut ihm lachend auf den Arm. Ich schaue sie an und denke, vielleicht hat Mutter ja recht. Wer sagt denn, dass es nicht die glücklichste Ehe der Welt wird?
    Wenig später sehe ich eine einsame Gestalt durchs Tor treten. Es ist Celestyna. Sie kommt zu mir und will mir etwas Weißes geben, von dem ich erst nicht begreife, was es ist.
    »Es ist für deinen Freund«, sagt sie. »Oder eigentlich für die Pferde.«
    Jetzt erst sehe ich, dass das Weiße in ihren Händen ein großer Haufen Würfelzucker ist. Ich stehe auf und nehme das Geschenk vorsichtig entgegen.
    »Leider ist er schon gegangen. Mitsamt den Pferden«, sage ich. »Und ich weiß auch nicht, ob er noch mein Freund ist. Aber es ist sehr lieb von dir.«
    Celestyna verzieht erst das Gesicht, als sie hört, dass Ola nicht mehr da ist, aber dann zuckt sie mit den Achseln.
    »Als Entschuldigung für alles. Sag’s ihm, falls du ihn mal siehst.«
    Dann geht Celestyna zu ihrem alten Platz und beginnt sich Essen auf einen Teller zu häufen, als wäre nichts passiert. Ich stehe noch eine Weile mit den Zuckerwürfeln in den Händen da, bevor ich in die Küche gehe, um sie in eine Schüssel zu legen. Als ich zurückkomme, steht gerade wieder der Zeremonienmeister auf.
    »Jetzt ist es, kurwa  – entschuldigen

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