Wie angelt man sich einen Daemon
mit dem Ring so verstanden: Wenn der Dämon an einem Sonntag bei Sonnenuntergang aus dem Ring steigt, dann wird er nicht nur zu einem Menschen, sondern für immer unbesiegbar – wenn nur das Behältnis da ist, um darin einzutauchen.«
»Gütiger Himmel«, sagte ich. »Ein Dämon, der für alle Ewigkeiten auf der Erde wandeln kann? Unbesiegbar?«
»Total grauenvoll – oder?«
»Aber dafür muss er dieses Behältnis haben. Das verstehe ich doch richtig?« Mir war auf einmal klar, dass der Stein in dem Ring doch nicht das Behältnis sein konnte, sondern das war wahrscheinlich der Kelch, der sich unter dem Leichnam auf dem Bild befand.
»Ja. Und er muss es im Moment seiner Befreiung zur Verfügung haben. Sozusagen jetzt oder nie. Wenn er den Ring verlässt, ohne dass dieses Behältnis in der Nähe ist, wird er nur ein ganz normaler Dämon.«
»Wissen wir denn, wo dieses Gefäß zu finden ist?«, wollte ich wissen. Insgeheim hoffte ich, dass es schon seit mindestens zwölf Jahrhunderten im Vatikan unter Verschluss gehalten wurde.
»Das ist das Seltsame«, erwiderte Allie. Sie stand auf und holte sich eine Tüte Oreos aus der Speisekammer. Sie machte sie auf und hielt sie mir hin.
Ich winkte ungeduldig ab. In diesem Moment interessierte ich mich wesentlich mehr für das, was Allie herausgefunden hatte, als für irgendwelche Süßigkeiten.
»Hier steht etwas darüber«, sagte sie und zeigte auf ihr Ringbuch. »Allerdings ist das wohl die Übersetzung einer Übersetzung. Vielleicht klingt es deshalb so wirr und unverständlich.«
»Okay. Dann lies mal vor.«
»Im Schatten seines Feindes Grab wird er das Gefäß füllen und seinen Gegner vertreiben«, fing sie an. »Er wird die Hülle, sowohl lebendig als auch tot, erobern, auf dass der Gefangene den Fänger gefangen nimmt.«
Sie blickte auf und zuckte mit den Schultern. »Das ist alles«, sagte sie. »Verstehst du da etwas?«
»Nein«, musste ich zugeben. »Obwohl irgendetwas davon… Ich weiß nicht. Irgendwie kommt es mir bekannt vor.« Ich schüttelte den Kopf, als Timmy erneut begann, mit den Töpfen auf den Boden zu schlagen.
Notgedrungen stand ich auf, um mich um den angehenden Musiker zu kümmern. Allie seufzte. »Mist. Ich weiß ja, dass es inzwischen egal ist. Aber ich hätte doch gern herausgefunden, was das bedeutet.«
»Wenn es dir um ein Extralob geht, dann findest du doch sicher auch ein paar Hausaufgaben, die es noch zu machen gibt.«
»Ha, ha«, erwiderte sie. »Vielleicht sollte ich noch einmal versuchen, Mr. Long zu erreichen. Möglicherweise hat er ja eine Idee. Oder Eddie. Ich könnte in der Bücherei vorbeisehen und herausfinden, ob er vielleicht versteht, was das alles heißen soll.«
»Klingt gut«, sagte ich. »Und frag ihn auch gleich, ob er heute zum Abendessen nach Hause kommt. Okay?«
Zu meiner Überraschung stimmte sie meinem Vorschlag zu. Ich dachte nicht weiter darüber nach, da ich annahm, dass sie mit ihren Nachforschungen einfach ein wenig angeben wollte. Mir war das recht. Ich hatte zwar noch immer Timmy, auf den ich aufpassen musste, aber zumindest würde ich so hoffentlich in der Lage sein, ohne weitere Unterbrechungen das Haus fertig zu putzen.
Ich nahm einen Besen und begann, die Kekskrümel zusammenzukehren. In Gedanken war ich noch immer bei Allies beeindruckender Sammlung. Ich wünschte mir, dass David zu Hause gewesen wäre, als sie ihn angerufen hatte. Es hätte ihn sicherlich gefreut, zu sehen, was sie alles zusammengetragen hatte.
Ich selbst war nie ein großer Bücherwurm, aber Eric hatte es geliebt, gemeinsam mit Wilson alte Aufzeichnungen und Dokumente durchzusehen.
David – oder vielmehr Eric – wäre bestimmt sehr stolz auf seine Tochter und ihre neu entdeckte Begeisterung für alte Texte gewesen.
Ich erstarrte. Entsetzt klammerte ich mich an den Besenstiel.
David. Eric.
Sowohl lebendig als auch tot.
Gütiger Gott im Himmel. Eric war Andramelechs Fänger gewesen.
Der Besen fiel mit einem lauten Krachen auf den Boden, als es mir auf einmal wie Schuppen von den Augen fiel. Das Behältnis, um das es ging, war weder ein Stein noch ein Kelch.
Das Behältnis war David.
»Deshalb haben wir den Ring nie gefunden«, sagte ich und redete dabei so schnell, dass ich beinahe ins Stottern kam. »Weil der Dämon auf der Steintafel in Wahrheit gar nicht Andramelech war.«
»Aber wer war es dann?«, fragte Laura, deren Haare noch feucht waren, weil ich sie mit meinem panischen Anruf aus der Dusche gescheucht
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