Wie ausgewechselt
erzählen wir uns Geschichten von früher. Und wie wir dabei lachen und flachsen! Weißt du noch: da und dort, der und der. Dann merke ich: Er hat Spaß, kann für ein paar Momente sein Schicksal vergessen. Ich bin sehr glücklich, dass Rudis Erinnerungen in diesem Buch festgehalten werden.
Ich erlaube mir zu behaupten, dass kaum einer so einen engen Draht zu Rudi hatte wie ich. »Männi«, wie ich ihn oft genannt habe, war besessen von Schalke, von seinem Job, seiner Aufgabe. Dafür hat er alles gegeben un d, wenn nötig, seine Rolle als knallharter Manager gespielt. Aber ich kannte auch den weichen Assauer, der sich immer wieder erkundigt hat, wie es meiner Frau Toos geht, mit der ich schwere Zeiten durchgemacht habe. Diese warmherzige Seite wurde oft nicht wahrgenommen. Dem Trompeten-Willy aus der Nordkurve hat er einst ein neues Instrument spendiert. Werner Weist, seinem ehemaligen Mitspieler bei Borussia Dortmund, der sozial abgerutscht war, hat er einen Job bei Schalke gegeben. Weist, Spitzname Akker, wurde Leiter des Fanartikel-Außenverkaufs. Nur ein paar Beispiele für Rudis großes Herz.
Rudi und ich haben uns wunderbar ergänzt. Ich konnte in so vielen Bereichen von ihm lernen. Wer und was ich heute bin – das hat viel mit Assauer zu tun. Er ist großartig. Es gibt nicht vieles, was ich ihm abschlagen würde. Er schenkte mir Vertrauen und brachte mir kluge Dinge bei. An ihn konnte ich mich immer wenden, alles mit ihm bereden. Er wurde im Laufe der Zeit ein wahrer Freund.
Glückauf, Rudi! Mach das Beste daraus!
Dein Huub
1. Mein Leben mit der Krankheit
»Alzheimer – so ’ne Scheiße!«
–––––––––––––––––
»Ich bin doch noch jung, keine 70. Ich war doch immer fit, topfit, ein Fußballer eben. Und jetzt Alzheimer. Warum ich? Assauer, frage ich mich, warum du?
Will man den dicken Max machen, nach außen stark sein, dann sagt man gerne: Ich kenne keine Angst. Doch wenn es eine Sache in der Welt gibt, wenn es eine Sache in meinem Leben gibt, vor der ich immer Angst hatte, so richtig Schiss auf gut Deutsch, dann Alzheimer. Bloß nicht diese Nummer. Bloß nicht dement werden im Alter, das schwirrte mir oft im Kopf herum. Erst meine Mutter, dann mein Bruder – und nun hat’s mich erwischt, jetzt muss ich damit klarkommen. Ich gehe doch erst langsam auf die 70 zu. Ich wollte doch das Alter, das Leben genießen. So ’ne Scheiße. Verdammt noch mal.«
Rudi Assauer hat Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium. Auf sich allein gestellt, wäre er nicht mehr lebensfähig, er könnte sich nicht mehr ernähren, würde vergessen, sich zu waschen. Einkaufen, kochen – unmöglich. Um ihn kümmert sich liebevoll Bettina, seine Tochter. Sie hat ihn zwischenzeitlich in ihrer Wohnung aufgenommen, eine Übergangslösung. Frau Söldner, Sekretärin und guter Geist, regelt im Büro die Termine, organisiert sämtliche Anfragen und Verpflichtungen.
Von seiner Frau Britta, die er im April 2011 im Rittersaal von Schloss Horst in Gelsenkirchen standesamtlich geheiratet hat, hat sich Assauer mittlerweile getrennt. Bis Dezember 2011 lebte er mit der 21 Jahre jüngeren Frau in einem Haus im Gelsenkirchener Stadtteil Buer. Wie so viele Eheleute kamen beide jedoch mit den Konsequenzen der Demenzerkrankung nicht zurecht, waren den zunehmenden Belastungen nicht gewachsen.
Rudi Assauer hat eine Fußballerkarriere gemacht, von der Millionen Hobbykicker nur träumen. Sechs Jahre bei Borussia Dortmund, sechs Jahre bei Werder Bremen, 307 Bundesligaspiele, DFB-Pokalsieger, Europapokalsieger der Pokalsieger. Danach Manager bei Werder Bremen, beim VfB Oldenburg und verteilt über drei Jahrzehnte beim FC Schalke. Er bewahrt den Traditionsklub vor dem Lizenzentzug, erfindet Huub Stevens als Schalke-Trainer, bastelt die Eurofighter-Mannschaft und sorgt damit für den größten Triumph der königsblauen Vereinsgeschichte: den Gewinn des UEFA-Cups 1997. Danach baut er die modernste Arena Europas: Die neue Heimat des FC Schalke wird 2001 eröffnet. Es ist sein Werk, und Fußball ist sein Leben. Bald wird das alles in seinem Kopf gelöscht sein. Vergessen. Durch dieses Buch sollen sich die Leute an sein Lebenswerk erinnern.
»Ein körperliches Gebrechen, das lässt sich vielleicht beheben oder lindern. Wie bei mir der Ärger mit der Bandscheibe – ’ne unangenehme Geschichte, aber okay. Manche Dinge sind altersbedingt, die kleinen Zipperlein, die größeren, ach – damit kannste leben. Muss man ja, das
Weitere Kostenlose Bücher