Wie der Vater so der Tod
Pedale, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.
Als ich das Haus betrete, riecht es nach Knoblauch und Oregano. Spaghetti. Das Lieblingsessen meines Vaters. Wie passend für die letzte gemeinsame Mahlzeit. Von der Tür her höre ich, wie Gläser klirren und das Besteck auf den Tisch gelegt wird. Im Wohnzimmer läuft der Fernseher – Dad sieht sich die Nachrichten an. Er ahnt nichts. Noch nicht.
»Ich dusche«, sage ich. Niemand antwortet.
Wasser tropft mir ins Gesicht. Ich dusche gern lange und heiß, aber das wage ich nur, wenn mein Vater nicht zu Hause ist, weil er mir sonst wegen Vergeudung von Wasser aufs Dach steigt. Natürlich hat er mich deshalb nie direkt angeschnauzt, nur Matt.
Wenn wir gehen, werde ich am meisten Zach vermissen. Ich kann ihm nicht sagen, was ich morgen Mittag mache. Das soll nicht heißen, dass ich es selbst weiß. Trotzdem, ich möchte nicht, dass er etwas erfährt und mein Vater es aus ihm herausholen kann.
Zach war ein Lieblingsthema für meine Therapeutin Maureen. Sie hatte gerade ihr Seelenklempnerstudium hinter sich und schien ein echt großer Fan von Freud zu sein. Was nicht schlecht war, denn es bedeutete, dass sie eine Couch hatte. Unsere erste Begegnung lief etwa folgendermaßen ab.
»Wen würdest du als deine Freunde bezeichnen?«, fragte Maureen.
Ich streifte die Schuhe ab und legte mich auf die Couch. Es gefiel mir, das Leder durch die Socken zu fühlen. Ich faltete die Hände unterm Kopf und blickte zur Decke hoch.
»Zach.«
Sie sah auf ihre Notizen hinab. »Letzte Woche hast du gesagt, er sei der beste Freund deines Bruders gewesen.«
»Ach ja?« Wahrscheinlich dachte sie darüber nach, welche Seelenklempnertheorie am besten dazu passte.
»Was ist mit Freundinnen?«
Ich wollte nicht darüber reden. »Nein, derzeit geht Zach mit niemandem.«
»Ich meine, hast du eine gute Freundin?«
»Zach ist mein bester Freund. Früher war Lauren meine beste Freundin, aber nach Matts Tod verloren wir irgendwie den Kontakt.«
»Weshalb?«
»Wegen der Sache, die ich an Matts Todestag getan habe.«
»Und die wäre?« Maureen neigte den Kopf, bereit, die ganze Wahrheit von mir zu erfahren.
Ich blickte zu ihrem Schreibtisch hinüber. »Hübsche Blumen. Von Ihrem Mann?«
Maureen nickte. Mein Vater bringt meiner Mutter keine Blumen mehr mit. Macht nichts. Vermutlich hätte sie sie ohnehin nicht bemerkt.
Maureen scheint sich nie zu ärgern, wenn ich ihre Fragen nicht beantworte. Sie versuchte es anders. »Also gibt es praktisch nur dich und Zach?«
»Ja.«
»Wie fühlst du dich dabei?«
Mein Blick kehrte zur Decke zurück. »Weiß nicht. Ich bin zufrieden, denke ich.«
»Zufrieden?«
»Ja. Zach verhält sich oft wie mein Bruder. Also vergesse ich manchmal, dass er ein anderer ist.« Ich setzte mich auf und rieb die Hände. »Na schön, sind wir fertig?«
Am nächsten Tag zertrümmerte Dad die Freiheitsstatue. Er sorgte dafür, dass meine Mutter anrief und Maureen mitteilte, ich würde nicht mehr zu ihr kommen. Therapie sei rausgeworfenes Geld, meinte er. Im nächsten Atemzug trug er ihr auf, die Premiumdienste des Cable Service zu bestellen und die Zeitschrift Militärgeschichte für ihn zu abonnieren. Anschließend fuhr er los und kaufte eine neue Angelrute für Matt, der tot ist.
»Wo ist Matt? Er kommt immer zu spät zum Essen.«
Mein Vater spricht oft so, als wäre Matt noch am Leben. Um ehrlich zu sein: Auch ich tue oft so, als wäre mein Bruder noch da. Aber ich spreche nicht von ihm wie von einem Lebenden, jedenfalls nicht oft.
Ich senke den Blick, damit meine Mutter antwortet. Das feuchte Haar streicht mir über den Nacken, und ich fröstle plötzlich.
»Ich glaube, er hat Nachhilfe bei seinem Geschichtslehrer. Noch ein Käsebrot, Ray?« Sie reicht ihm den Korb mit dem Brot und wendet sich dann an mich. »Wie war die Schule?«
»Gut, so weit. Rachel hat sich in Chemie mit Salzsäure bespritzt und musste unter die Notdusche.«
»Ich hoffe, es ist alles in Ordnung mit ihr«, sagt Mom.
»Ja, kein Problem.«
Ich sehe zu meinem Vater hinüber. Wie üblich starrt er nach draußen und murmelt vor sich hin. Ich verstehe nur ein Wort: »Öl«. Ich weiß zwar, dass ich ihn hassen sollte, aber mein Herz fordert mich auf, mit ihm zu reden, weil ich ihn vielleicht nie wiedersehe. Mein dummes, dummes Herz.
Ich räuspere mich. »Wie war heute die Arbeit, Dad?«
Keine Antwort.
»Dad«, sage ich etwas lauter. »Wie war heute die Arbeit?«
»Öl. Matt muss bei
Weitere Kostenlose Bücher