Wie der Vater so der Tod
seinem Wagen das Öl wechseln. Wie soll der Motor intakt bleiben, wenn er das Öl nicht wechselt?« Er schlägt mit der Faust auf den Tisch, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
»Ja. Ich erinnere ihn daran, wenn er nach Hause kommt«, wirft meine Mutter ein. Und dann, mit erzwungen fröhlicher Stimme, wie manche Leute mit Zweijährigen reden, fährt sie fort. »Heute kamen ziemlich viele Anrufe.« Das ist ihre Art, so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Sie richtet den Blick demonstrativ auf mich und Dad, wenn sie spricht, obwohl nur ich zuhöre.
»Großartig«, erwidere ich. »Aus irgendeinem besonderen Grund?«
»Es gibt ein Sonderangebot für das Set Prächtiger Herbst . Ich habe dir einen der Teller gezeigt, nicht wahr?«
»Ja, wirklich hübsch.«
Mom arbeitet im Management von Essence-Essgeschirr. Oft kommt sie mit irgendwelchen Mustern oder beschädigter Ware nach Hause. Sie liebt diese verzierten Teller und Schüsseln, vor allem den passenden Krimskrams, wie Platzdeckchen und Kerzenhalter. Essence verkauft auch Sparschweine und Schneekugeln. Mom hat alles mitgebracht.
Nach dem Essen zieht sich Dad in den Keller zu seiner Eisenbahn zurück. In der Phase, wenn er vor sich hinmurmelt, ist er gewöhnlich friedlich, und deshalb folge ich ihm nach unten. Mir hat er nie was getan, nur Matt und meiner Mutter. Und inzwischen hat er es nur noch auf Mom abgesehen. Der Grund ist mir nicht ganz klar, aber vielleicht hat es etwas mit der Eisenbahn zu tun, dass er mich in Ruhe lässt. Ich bin diejenige, die ihn in den Keller begleitet und zusieht, wie er baut und spielt. Ich bin diejenige, die mitkommt, wenn er loszieht, um Züge zu fotografieren. Zusammen haben wir Hunderte von Eisenbahnfotos gemacht. Vielleicht denkt er, dass ich ihn verstehe.
Da irrt er sich.
Aber ich lasse ihn in dem Glauben.
Dad sitzt auf einem hohen Drehstuhl. Ich ducke mich unter den Tisch und stehe in der Mitte des ausgeschnittenen Teils. Mein Vater betätigt einige Schalter, und eine Dampflokomotive fährt aus einem alten Lokschuppen aus Ziegelsteinen heraus. Sie sieht verstaubt aus, aber nur deshalb, weil Dad sie so bemalt hat.
Die Eisenbahn hilft ihm dabei, vernünftig zu reden. »Vielleicht nehme ich mir bald das Gespensterhaus vor«, sagt er. Lokomotiven, Güterwagen und Bausätze, das bekommt mein Vater von uns zu Weihnachten. Matt und ich haben ihm das Gespensterhaus schon vor Jahren geschenkt, aber er hat es nie zusammengebaut. Seine Stadt hat einen Lebensmittelladen, einen Getreidesilo und ein orangefarbenes und grünes Haus, das Matt und ich Kürbishaus nannten. Bald wird auch unser Gespensterhaus dazugehören. Schade nur, dass weder Matt noch ich es dann bewundern können.
»Du kannst es dort hinsetzen«, sage ich und deute auf eine leere Stelle neben einer Hütte am Fluss. Dad hat ihr das Erscheinungsbild von Ramonas Ruhesitz gegeben, wo wir früher die Ferien verbrachten. Es stehen auch kleine Menschen davor, wie damals wir vier.
»Zu nahe.«
»Da ist was dran«, sage ich und nicke. Die tatsächlichen Hütten von Ramonas Ruhesitz stehen so weit voneinander entfernt, dass man sich völlig allein fühlt. »Und neben dem Eisenwarenladen?«
»Ja, gute Idee.« Dad lächelt zum ersten Mal seit langer Zeit.
Ich stehe da, beobachte die um mich herumfahrenden Züge und atme den Geruch nach feuchtem Kartoffelkeller tief in mich ein, den ich so mag und den alle anderen verabscheuen. Auf diese Weise nehme ich Abschied von meinem Vater.
Als ich nach oben zurückkehre, sieht sich Mom im Fernsehen unsere Lieblingssoap an, The Winds of Change . Ich darf sie sehen, seit ich neun bin. Von Anfang an war ich davon begeistert. Die Sendung läuft am späten Nachmittag, und ich könnte sie immer gleich einschalten, wenn ich aus der Schule komme. Aber meistens warte ich und sehe mir mit Mom die Aufzeichnung an.
»Entschuldige, dass ich ohne dich angefangen habe«, sagt Mom und drückt die Pausetaste der Fernbedienung. »Möchtest du die Folge ganz von vorn sehen?« Sie ist blass und wirkt so elend … Ich fürchte, dass Dad nur kurz den Blick auf sie richten muss, um sofort Bescheid zu wissen.
»Nein, schon gut.« Ich setze mich neben sie. »Du musst dir mehr Mühe geben, normal auszusehen«, flüstere ich ihr zu.
Sie nickt und atmet tief durch.
»Was ist mit Julia passiert?«, frage ich.
»Sie erinnert sich nicht daran, von dem Wagen angefahren worden zu sein. Und sie hat vergessen, dass Ramón gar nicht ihr richtiger Ehemann
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