Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
eingesetzte ATF-Team durch die Vortäuschung eines Mordes an einem den Angels verhassten Feind. Die Trophäe, die den Bikern präsentiert wurde, der unwiderlegbare Beweis seiner Tat, stammte aus der Asservatenkammer der Regierungsbehörde: ein blutverschmiertes Patch des Mongols MC.
Die gelungene Unterwanderung in der abgeschotteten Welt der Outlaw Motorcycle Clubs wurde einige Zeit als erfolgreichste Operation in diesem Bereich gewertet. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass längst nicht alles optimal gelaufen war im Rahmen der Operation »Black Biscuit«.
Am 8. Juli 2003 verhaftete das ATF mithilfe schwer bewaffneter SWAT-Sondereinheiten in gepanzerten Fahrzeugen drei Dutzend Hells Angels und Unterstützer in Arizona, Nevada, Kalifornien, dem Washington State und bis hinauf nach Alaska. Doch bei der Erstürmung des Clubhauses des Charters Cave Creek kam es zu einem Zwischenfall.
Im Haus befand sich lediglich ein Prospect des örtlichen Charters. Nach einer kurzen Aufforderung der Polizei, sich zu ergeben, raste ein gepanzertes Einsatzfahrzeug durch die Hauswand des »Angels Place«. Gleichzeitig flogen Schock- und Blendgranaten in das Gebäude, vorrückende Einheiten erschossen einen Wachhund. In diesem Moment trat der Prospect aus dem Haus und wurde vom Gewehrfeuer einer Polizistin unter Beschuss genommen und durch Kugeln und Schrapnellsplitter schwer im Gesicht verletzt. Die Aussage der Beamtin, der Hells Angel habe zuerst geschossen, wurde vor Gericht widerlegt. Die ballistische Untersuchung ergab, dass aus der Waffe des Prospects kein einziger Schuss abgefeuert worden war. Der Richter des Maricopa Superior Court wertete die Schüsse der Polizistin als einen rechtswidrigen Angriff, der aber insgesamt den chaotischen Umständen der Razzia geschuldet war, die nicht länger als 14 Sekunden dauerte. Beschuldigungen der Polizisten gegen den angeklagten Prospect wies der Richter zurück.
Das Resultat der langen Undercover-Ermittlungen waren 16-RICO-Anklagen wegen Mordes, Erpressung, Verschwörung und Drogenhandel. Unter den Angeklagten befanden sich die Präsidenten dreier Hells-Angels-Charter.
Die im Rahmen der Operation »Black Biscuit« gesammelten Beweise des ATF umfassten 800 Stunden abgehörte Gespräche aus 92 000 Telefonanrufen und 8500 beschlagnahmte Schriftstücke. Zusätzlich fielen den Beamten Mitgliederlisten, Protokolle, Satzungen und zahlreiche Computer in die Hände. Unter den 650 beschlagnahmten Gewehren befanden sich 80 Maschinengewehre sowie Schalldämpfer, Rohrbomben, Napalm, Dynamit, Sprengkapseln und 30 000 Schuss Munition – Kriegsgerät. Dazu stellte das ATF eine größere Menge Methamphetamin und 50 000 Dollar in bar sicher.
Doch die Juristen der Hells Angels schossen sich erfolgreich auf das Verhalten des halben Dutzend beteiligter Undercover-Agenten ein. Das ATF stützte sich auch auf kriminelle Informanten, die Angels gegen Entlohnung durch die Behörden in Straftaten verwickelt hatten. Was da nach und nach ans Licht kam, bewirkte, dass die Spannungen zwischen Staatsanwaltschaft und ATF zunahmen. Die Staatsanwaltschaft gelangte zu der Überzeugung, dass die Agents provocateurs des ATF zu viel Einfluss auf die begangenen Straftaten gehabt hatten, und schloss sich immer mehr den Argumenten der verteidigenden Anwälte an. Außerdem wurden einem Teil der kriminellen Informanten Drogenmissbrauch, Gewalttaten und Lügen im Laufe ihres Einsatzes nachgewiesen. Auch ATF-Agent Jay Dobyns sah sich Anschuldigungen des Medikamentenmissbrauchs ausgesetzt, denn er war von der aufputschenden Diätpille Hydroxycut abhängig geworden.
Die großen Anklagen konnten wegen der geschilderten Unstimmigkeiten 2006 nicht mehr aufrechterhalten werden. Die besonders schwerwiegenden Anschuldigungen auf Basis des RICO-Acts wurden ausnahmslos fallen gelassen. Übrig blieben lediglich ein Dutzend Verurteilungen aufgrund von Verstößen gegen das Waffengesetz und wegen Drogenhandels. Die Strafrahmen der daraufhin verurteilten Biker wurden durch juristische Deals jedoch erheblich gemindert.
Jay Dobyns und seine Familie waren nach seiner Enttarnung als Undercover-Agent zahlreichen Todesdrohungen und Anschlägen aus den Reihen der Hells Angels ausgesetzt. Bei einem 2008 auf sein Haus verübten Brandanschlag wurde sein gesamter Besitz ein Raub der Flammen. In den letzten fünf Jahren war Dobyns gezwungen, mehr als 16 Mal seinen Wohnsitz zu wechseln. Der ehemalige ATF-Agent beklagt zudem, dass seine frühere
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