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Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Titel: Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schubert
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Männlichkeit zu testen.
Die interne Rechtsprechung innerhalb der Bruderschaften geht oft hart mit Nichtmitgliedern ins Gericht. Ein Anwärter verkalkulierte sich einmal beim Anlegen von Biervorräten anlässlich eines großen Motorradtreffens. Sofort wurde ein Schnellgericht von drei Bandidos einberufen, dem der Präsident des Chapters vorsaß. Das Urteil wurde umgehend gesprochen: schuldig. Die Bestrafung erfolgte unverzüglich: Zwei Vollmitglieder schlugen den Prospect zusammen.
Der El Presidente aller Bandidos weltweit, der Amerikaner Ronnie Hodge, sah sich genötigt, alle Chapter anzuweisen, Gewalt und Brutalität gegen Prospects deutlich zu verringern. Diese Anordnung war nicht plötzlich aufkommender Nächstenliebe geschuldet, sondern resultierte aus rein pragmatischen Überlegungen. El Presidente Hodge befürchtete, durch die archaischen Sitten zu viele geeignete Männer abzuschrecken.
    Auch die Anwärter des Mongols MC mussten in den Anfangszeiten des Clubs in den USA ein Martyrium über sich ergehen lassen. Ein Neuling wurde bei seinem ersten Besuch verprügelt. Wagte er einen zweiten Besuch, setzte es die nächste Tracht Prügel. Nur wenn er den Mumm hatte, ein drittes Mal zu erscheinen, blieb er unbehelligt.
    Oft folgten dann die berüchtigten »Olympischen Spiele«, in denen bis zu fünf Prospects in unterschiedlichen Disziplinen miteinander wetteifern mussten. Die zwangsrekrutierten Athleten traten in der Regel volltrunken zu den geforderten sportlichen Wettkämpfen an. Es wurde gerannt, auf Bäume geklettert und dergleichen mehr. Verbreitet war auch ein demütigendes Marshmallow-Rennen, bei dem die weichen Dinger von den Anwärtern zwischen den Pobacken festgehalten werden mussten, während sie um die Wette liefen. Sadistisch war dagegen das ebenfalls beliebte Ritual des Auspeitschens des nackten Hinterns, bis dieser blutig geschlagen war. Auch war es früher üblich, jedem Anwärter 130 Dollar abzuknöpfen, um einen Privatdetektiv zu beauftragen, der den angegebenen Lebenslauf überprüfte. Generell wurde verlangt, dass die geliebte Harley-Davidson des Anwärters auf den Club überschrieben wurde. Dies ermöglichte der Organisation, das Pfand als weiteres Mittel einzusetzen, um ein von der Polizei und einem Gericht unter Druck gesetztes Mitglied oder einen Aussteiger auf Linie zu halten.
    Erst der Mongols-Präsident Ruben »Doc« Cavazos schaffte 1998 einen Großteil dieser altertümlichen Sitten ab, da sie die gewünschte schnelle Expansion des Clubs behinderten. Außerdem schien es ihm unangebracht, gestandene Kerle mit einer jahrelangen Gang-Vergangenheit und oftmals mehrjährigen Aufenthalten in den berüchtigtsten kalifornischen Gefängnissen diesem Prozedere zu unterwerfen. Denn dies waren genau die Männer, die er schnellstmöglich zu rekrutieren und im Kampf gegen die Hells Angels einzusetzen beabsichtigte.
    Ein offizieller Prospect beim Hells Angels MC, den Bandidos oder einer anderen großen OMCG zu sein hatte aber durchaus auch Vorteile. In der Bikerszene schauten Männer wie Frauen bewundernd zu den Kerlen der Einprozenter-Clubs auf, selbst wenn die Prospects bis dahin nur die unterste Stufe der Karriereleiter erklommen hatten. Bereits dieser erste Rang galt als Ritterschlag in der Szene. Er symbolisierte der Außenwelt den bevorstehenden Aufstieg in den inneren Zirkel der Bruderschaft. Und obwohl ein Prospect in seinem eigenen Club auf der untersten Hierarchiestufe stand, stand er bereits über allen anderen Bikern außerhalb des Clubs.
    Bei einer Ausfahrt fuhr der Prospect gemäß der penibel eingehaltenen Fahrordnung zwar mit seiner Harley am Ende der Formation, die er mit seinen Brüdern bildete, aber noch vor jedem Vollmitglied eines Supporter-Clubs. Selbst der Präsident eines Unterstützungsclubs hatte sich hinter dem Prospect eines großen Clubs einzureihen.
    Dem Prospect winkte am Ende dieser Tortur die Kutte mit dem Voll-Patch auf dem Rücken. Das sichtbare Zeichen neu verliehener Macht symbolisierte seiner Umwelt und ganz besonders den Feinden: Ich bin nicht mehr allein. Hinter mir steht eine weltweit agierende und gefürchtete Bruderschaft. Hinter mir steht ab sofort der gesamte Hells Angels MC.
    Chuck Zito und die Hells Angels New York
    Die Expansion des rot-weißen Netzwerkes hatte im Dezember 1969 die amerikanische Ostküste erreicht, wo die Charter Rochester und New York City offiziell in die Bruderschaft aufgenommen wurden. Charles Zito Junior, genannt Chuck Zito, der 1980

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