Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Eifer an den Tag, diese Spur weiter zu verfolgen. Sie beließen es bei örtlichen Ermittlungen und vernachlässigten die internationale Dimension des Massakers.
Das endgültige Ende des Bandidos MC Canada war damit besiegelt. Sie hatten sich zum Schluss buchstäblich selbst ausgelöscht. Der verbliebene Teil der kanadischen Bandidos wanderte zur Hälfte lebenslänglich hinter Gitter, der andere Teil auf den Friedhof. Heutzutage verfügt die Bandido Nation über kein einziges Chapter mehr in ganz Kanada.
Und auch in ihrem Ursprungsland Amerika mussten die Bandidos ungefähr zur gleichen Zeit eine herbe Niederlage einstecken. Der weltweite El Presidente aller Bandidos wurde am 9. Juni 2005 mit insgesamt 21 Mitgliedern seines MC verhaftet, darunter drei weitere Mitglieder des Präsidiums. Die US-Justizbehörden klagten den 52-jährigen George Wegers wegen Schutzgelderpressung, Zeugenbeeinflussung und Hehlerei von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen an. Der oberste Bandido handelte wie so viele andere einen Deal mit den Strafverfolgungsbehörden aus: Haftverkürzung gegen ein Teilgeständnis. Das Urteil lautete auf nur 20 Monate Gefängnis, dafür bestätigte El Presidente in seinem Geständnis, dass sich der Bandidos MC unter anderem durch Schutzgelderpressung finanziert.
Kanada – die aktuelle Lage
Salvatore und Giovanni Cazzetta, die maßgeblichen Gründer der Rock Machine, traten im Jahr 2006 dem Hells Angels MC bei. Der Bandidos MC Canada hörte im Herbst 2007 auf zu existieren. Einige verbliebene Ex-Bandidos schworen dem Leben als Einprozenter ab, andere beteiligten sich an der Wiederbelebung der Rock Machine, die zurzeit erneut mit fünf Chaptern in Kanada vertreten ist. Weiterhin gründeten sich 24 Chapter in Amerika, Australien, Schweden, im Kosovo, in der Schweiz, in Indonesien und Deutschland. Weder die fünf deutschen Chapter, die als Nomads North, South, East, West und Germany Westside bezeichnet werden, noch die kanadischen Biker sind bisher mit Gewalttaten in Erscheinung getreten.
Der staatliche Feldzug gegen den Rockerkrieg in Kanada war nicht billig: Die Kosten für den Gerichtsneubau, die lange Inhaftierung der Beschuldigten, die geschaffenen Sonderkommissionen und zusätzlichen Planstellen für Staatsanwälte und Spezialeinheiten summierten sich auf über 100 Millionen Dollar.
Die Kämpfe zwischen Hells Angels und Bandidos hatten eine unglaubliche Anzahl von Toten und einen enormen Blutzoll auf den Straßen Kanadas gefordert. Es waren Gemetzel, die wohl nur mit dem Blutbad von New Yorker Mafiafamilien vergleichbar sind, das die Mobster auf dem Höhepunkt ihrer Macht in den Straßenschluchten des Big Apple anrichteten.
Im kanadischen Rockerkrieg wurden über 200 Menschen getötet, darunter Unschuldige wie der el fj ährige Daniel Desrochers und der 34-jährige Familienvater Yves Albert. Die Polizei dokumentierte 124 weitere Mordanschläge, 130 Brandstiftungen und 84 Sprengstoffanschläge. Neun Personen gelten noch immer als vermisst. Niemand rechnet damit, sie lebend wiederzufinden.
Die juristische Aufarbeitung hält bis heute an. Im März 2012 ging den Behörden ein weiterer dicker Fisch ins Netz, der Hells Angel Michel Smith, 49, genannt »l’animal« – »das Tier«. Die kanadische Polizei beschuldigt den 1,72 Meter großen und 95 Kilogramm schweren Biker der Beteiligung an 22 Morden, des Drogenhandels und -schmuggels sowie der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Smith war seit Jahren vor den kanadischen Behörden auf der Flucht, die in ihm einen führenden Akteur im Rockerkrieg Hells Angels vs. Rock Machine sahen. Nach einem Hinweis wurde der mutmaßliche 22-fache Mörder in dem Touristenort Playa Coronado in Panama aufgespürt und verhaftet. »L’animal« ist zurzeit in einem mittelamerikanischen Gefängnis inhaftiert und wartet auf seine Auslieferung nach Kanada.
Das Hells Angels Nomads Charter und sein Präsident Maurice Boucher verschwanden in den Haftanstalten des Landes wie viele weitere Höllenengel. Doch die Bruderschaft benötigte nur bis zum Jahr 2006, um ihre Reihen wieder aufzufüllen. Die Rekrutierungszahlen überflügelten schon bald die Mannstärke der Hells Angels vor der Operation »Springtime«.
Infolge dieser neuerlichen aggressiven Mitgliederrekrutierung ist Kanada mit über 500 Hells Angels eines der mitgliederstärksten Länder im internationalen rot-weißen Netzwerk geworden. Allein im Großraum Toronto zählt die Bruderschaft über 100 Mitglieder;
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