Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Bikerclub der Welt drohte unverhohlen mit globalen Vergeltungsaktionen, wenn seine Forderungen nicht erfüllt würden. Sollten sechs Kilogramm Kokain einen weltweiten Rockerkrieg auslösen?
Die Polizei entwickelte daraus die Theorie, dass die drei Bandidos, in deren Besitz sich das Kokain befunden haben soll, der Drogen beraubt und erschossen wurden. Die fünf weiteren Opfer seien später auf der Farm erschienen und zwecks Verschleierung der Tat eiskalt ermordet worden.
Die Ermittler folgten dieser Drogenspur bis ins 1500 Kilometer entlegene Winnipeg in der Provinz Manitoba. Dort nahm ein SWAT-Einsatzteam drei weitere Männer fest und klagte sie ebenfalls des achtfachen Mordes an; es waren zwei Vollmitglieder des Bandidos MC und ein Prospect: Dwight Mushey, 36, und Michael »Taz« Sandham, 36, der Prospect war Marcello Aravena, 30. Sandham galt den Behörden als Präsident des Bandidos-Chapters Winnipeg und war ein Ex-Cop.
Bereits im Jahr 2002 war Sandham wegen seiner engen Verbindungen zum Bandidos MC vom Dienst suspendiert worden und trat anschließend, um dem Disziplinarverfahren zuvorzukommen, aus dem Polizeidienst aus. Seine ehemaligen Kollegen bescheinigten Sandham, bis dato ein beliebter und respektierter Polizist gewesen zu sein, frei von jeglichen Vorstrafen.
Die Gerichtsverhandlungen wurden unter schwersten Sicherheitsvorkehrungen abgehalten. Selbst die Rechtsanwälte und Richter wurden durchsucht und mussten eine Metalldetektorschleuse passieren. Das Gericht stand vor ernsten Problemen, genügend Geschworene zu finden. Eine Vielzahl potenzieller Kandidaten schob gesundheitliche Probleme oder Unabkömmlichkeit von der Arbeit vor; niemand riss sich um eine Teilnahme an diesem mörderischen Gerichtsmarathon.
Die genauen Motive der Tat ließen sich auch vor Gericht nur schwer rekonstruieren. Der achtfache Mord schien sowohl interne Streitigkeiten und Rivalitäten, den sechs Kilogramm Kokain sowie grundlegend verschiedenen Meinungen zum Kokainhandel und -konsum geschuldet zu sein. Auch Antisemitismus dürfte eine Rolle gespielt haben; einer der Getöteten, der Bandidos-Prospect Goldberg, war Jude, während der beschuldigte Kellestine für seinen Judenhass bekannt und berüchtigt war. Der hohe Methamphetamin- und Kokainkonsum vieler Beteiligter dürfte ein Übriges zum Zustandekommen des Massakers getan haben. Alles in allem eine wahrlich tödliche Mixtur.
Fest steht, dass die Mitglieder des Chapters Toronto durch die Ansetzung eines Kirchgangs zur Besprechung des Kokaindeals auf Kellestines Farm gelockt worden waren. Dort überwältigten und entwaffneten die Mörder ihre einstigen Brüder. Anschließend führten sie jeden einzeln aus der Scheune und schossen ihm in den Kopf, ein acht Mal wiederholtes Hinrichtungsszenario.
In dem Verfahren spielten die Aussagen und geheime Tonbandaufnahmen eines Kronzeugen die entscheidende Rolle. Über den Polizeiinformanten in der Bandido Nation und dessen Identität ist nur wenig veröffentlicht worden. Er wird in allen Akten lediglich mit dem Kürzel »MH« geführt. Der Spitzel und dreifache Vater soll als Bauarbeiter gearbeitet haben, bis er sich im Sommer 2005 auf der Suche nach Freundschaft und wegen der gemeinsamen Motorradfahrten den Bandidos angeschlossen hatte.
MH beschuldigte in seiner Aussage den Präsidenten des Bandidos-Chapters Winnipeg, Michael Sandham, in die USA gereist zu sein und dort Instruktionen bezüglich des Toronto-Chapters erhalten zu haben. Für die interne Säuberungsaktion und die Morde sei Kellestine das Amt des El Presidente in Kanada und die Erlaubnis, ein eigenes Chapter in Ontario gründen zu dürfen, versprochen worden.
Die Jury des Superior Court in Ontario verurteilte folgende Personen aus der Welt der Bandidos wegen Mordes ersten Grades zu lebenslanger Haft: Wayne »Weiner« Kellestine, 56, Michael »Taz« Sandham, 36, Dwight Mushey, 36, Frank Mather, 36, Marcelo Aravena, 33, und Brett »Bull« Gardiner, 25.
Das Strafmaß betrug in diesen Fällen automatisch 25 Jahre Freiheitsstrafe – ohne die Möglichkeit einer Bewährung vor Ablauf dieser Frist. Eric Niessen, 45, und seine Frau Kerry Morris, 47, wurden der Mittäterschaft angeklagt und ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt.
Die Hintergründe – ob etwa die interne Säuberungs- und Bestrafungsaktion auf Druck der Hells Angels auf die US-Führung der Bandidos ausgeführt wurde – konnten nicht aufgeklärt werden. Die kanadischen Behörden legten auch keinen besonderen
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