Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Mexican auf dem Rücken mit seinem Motorrad durch den Stadtteil Hohenschönhausen fuhr, scheint neben der erbitterten Rivalität beider Clubs der Hauptauslöser für die folgende Attacke gewesen zu sein.
Die verwackelten Bilder belegen, dass Rayk F. mit einem Fußtritt eine Schlägerei begann. In den Händen der verfeindeten Rocker befanden sich Schlagstock und Krummdolch. Die erste Streifenwagenbesatzung, die vor Ort eintraf, wusste sich nicht anders zu helfen, als einen Warnschuss in die Luft zu feuern, um die verbissen miteinander kämpfenden Kontrahenten zu trennen. Auch die anderen vier Hells Angels beteiligten sich mittlerweile an der Auseinandersetzung und bedrohten und traten den Rivalen. Erst ein Großaufgebot von 19 heraneilenden Polizeifahrzeugen konnte die brenzlige Situation entschärfen.
Die Attacke vom Mai 2007 auf der Indira-Gandhi-Straße erlebte im November 2008 ihr juristisches Nachspiel im Amtsgericht Tiergarten. Vor Gericht lehnten die Hells Angels jegliche Aussage ab, der angegriffene Bandido erschien trotz Zeugenladung nicht zum Prozess und der Zeuge Guido S., 30, der das Geschehen gefilmt hatte, erlitt im Hochsicherheitssaal B129 des Gerichtsgebäudes einen umfassenden Gedächtnisverlust. Er konnte sich an nichts mehr erinnern.
Gleichwohl verschoben sich die Machtverhältnisse in der Hauptstadt langsam zugunsten des Bandidos MC. Das lag hauptsächlich an den Rekrutierungsmethoden der Rot-Goldenen. In Bezug auf ihre Aufnahmekriterien waren sie schon lange nicht mehr streng und setzten auf Masse statt Klasse.
Die sich zuspitzende Situation an der Spree spürte die Führungsriege der Berliner Angels immer häufiger schmerzhaft am eigenen Leib. Noch vor einigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Bandidos mächtige Angels direkt angegriffen hätten. Der Respekt und auch die Furcht vor der drohenden Vergeltung der Höllenengel verboten das. Dieser Respekt vor dem Feind war nun offensichtlich nicht mehr vorhanden.
Die nächste Attacke galt Rayk F. Der vorbestrafte Vater einer Tochter wurde von Unbekannten angegriffen und zusammengeschlagen. Die Täter vermutete die Polizei im Umfeld der Bandidos. Die Hells Angels äußerten sich nicht zu diesem Vorfall. Neben der üblichen Verschwiegenheit der Szene nahmen LKA-Experten auch an, dass die Angels weitere Publicity vermeiden wollten, um nicht öffentlich den Eindruck zu erwecken, dass sie in Berlin erheblich an Renommee verloren hätten.
Im Februar 2008 verließen Bernd B., Vizepräsident des Hells-Angels-Nomads-Charters, und ein weiteres Mitglied das neue Clubhaus am Spandauer Damm. Bevor sie ihr Auto erreichten, wurden sie von mindestens zwei Männern mit Messern und Baseballschlägern angegriffen. Bernd B. attackierten die Angreifer mit einem Baseballschläger und fügten ihm zahlreiche schwere Prellungen zu. Dem anderen Höllenengel trennten die Täter mit einem tiefen, kraftvollen Schnitt beinahe den linken Unterarm vom Körper ab.
Polizei und Staatsanwaltschaft erfuhren von dem Überfall nur, weil eine behördlich installierte Überwachungskamera den Bereich um das Clubhaus ständig filmte. Die Betroffenen verständigten die Polizei natürlich nicht, niemand stellte sich als Zeuge zur Verfügung oder erstattete Anzeige. So stand den Ermittlern einzig die Kameraaufzeichnung zur Verfügung, um die Täter zu überführen.
Die Polizei verdächtigte den Bandido Dennis W. und den Vizepräsidenten des Chapters El Centro, Kadir P., doch die Kamera hatte nur einen Teil des gewalttätigen Angriffes erfasst, den anderen Teil verschluckte die Nacht. An diesem Punkt setzten die Rechtsanwälte von Kadir P. an, der unbestritten am Tatort gefilmt worden war. Der ihm zuerst zugerechnete Messerangriff inklusive der Beinaheamputation des Arms eines Angels war auf den Filmaufnahmen jedoch nicht zu sehen. Somit gelang es der Staatsanwaltschaft nicht, ihm diese Attacke nachzuweisen. Erstaunlich offen erklärte Kadir P. dem Gericht das Ausmaß seiner Befehlsgewalt als Vizepräsident des Chapters El Centro über die ihm unterstellten Bandidos: »Der Vorwurf, den man mir machen kann, ist der, dass ich die Täter nicht zurückgepfiffen habe, was ich durchaus hätte tun können.«
Die verletzten Hells Angels verweigerten jede Zusammenarbeit mit der Polizei – und nicht nur das. Sie beseitigten Spuren, indem sie ihren Wagen einer gründlichen Reinigung unterzogen. Die beiden Bandidos kamen glimpflich davon. Dennis W. konnte eine direkte Tatbeteiligung trotz
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