Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
großer Übereinstimmung mit einem der gefilmten Täter nicht nachgewiesen werden. Das Gericht sprach ihn frei. Kadir P. erhielt lediglich eine Verurteilung wegen Beihilfe zu einer gefährlichen Körperverletzung. Die Haftstrafe von einem Jahr wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Berliner und Potsdamer Aktivitäten der Hells Angels überschneiden sich räumlich wie personell, was bei einer Entfernung von lediglich 30 Kilometern auch nicht verwundert. Ein Beispiel dafür ist das Mitglied Florian G., 24, das dem Nomads-Charter Berlin angehörte und besonders im Potsdamer Raum kriminellen Aktivitäten nachging. Er schien ein Fan der Verfilmung von Der Pate zu sein. Als nämlich der Betreiber eines Tattoostudios in Beelitz seiner Schutzgeldforderung nicht unverzüglich nachkam, legte der Hells Angel ein von einer Koppel gestohlenes Schaf mit durchschnittener Kehle vor die Eingangstür seines Wohnhauses. Das Landgericht verurteilte ihn im Dezember 2012 zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Trotz der Haftstrafe blieb Florian G. offensichtlich vorerst auf freiem Fuß, denn im März 2012 verurteilte ihn dasselbe Landgericht zu einer weiteren Haftstrafe von drei Jahren. Diesmal hatte er einen Mann in Neuseddin zur Zahlung von 400 Euro gezwungen und ihm gedroht, er würde ihn andernfalls zusammenschlagen. Da sein Opfer über kein Geld verfügte, stahl Florian G. ihm sein Handy. Das Landgericht sprach in seinem Urteil von versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub.
Ob Florian G. auch anwesend war, als Polizeieinheiten in der Nacht des 17. Juli 2008 einen Schlägertrupp der Angels in Berlin-Mitte stoppte, ist nicht bekannt; fest steht aber, dass ein Teil des Trupps aus Potsdam und Umgebung stammte. In dieser Nacht konnte die Polizei ein Gemetzel nur durch Zufall verhindern. Zivilbeamte observierten die als Höllenengel-Treffpunkt bekannte Tabledancebar »Gold Club«, um Haftbefehle wegen schwerer Körperverletzung gegen vier Männer aus dem Zuhältermilieu zu vollstrecken.
Um 0.40 Uhr entdeckten die Observationskräfte eine Gruppe von etwa 50 Mann, die sich zum Teil mit weißen Theatermasken ähnlich der Masken aus dem Musical Phantom der Oper vermummt hatten. Eilig alarmierten, starken Polizeikräften gelang es, diese Gruppierung zu stoppen und 34 Männer festzunehmen.
Die Ermittler rechneten das mit Schlagringen, Quarzsand-Handschuhen, Schlag- und Teleskopstöcken bewaffnete Rollkommando der Brigade 81 zu. Diese überall in Deutschland neu aufgestellten Gruppen sind laut einem szenekundigen Staatsanwalt eigens dafür da, die Drecksarbeit für die Hells Angels zu erledigen. In puncto Gewaltbereitschaft und Brutalität erheben sie selbst den Anspruch, noch härter als die regulären Hells-Angels-Charter zu operieren.
Die Festgenommenen stammten überwiegend aus der Türsteher- und Hooliganszene Berlins und Mecklenburg-Vorpommerns. Darunter befand sich auch der Vizepräsident des Angels-Charters Potsdam, Christopher R., der bei Fußballkrawallen anlässlich der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich den französischen Polizisten Daniel Nivel ins Koma geprügelt hatte. Nach sechs Wochen erwachte der Polizist, ist jedoch aufgrund von massiven Kopfverletzungen für den Rest seines Lebens schwer behindert. Videos und Bilder der Prügelszene gingen damals um die ganze Welt.
Die Örtlichkeit, in der das Rollkommando der 81er gestoppt wurde, grenzt an den Stadtteil Reinickendorf. Dieses Viertel ist eine der Bastionen des Bandidos MC in der Hauptstadt. Ihnen galt nach Ansicht der Berliner Polizei die geplante Attacke der Brigadisten. Es ging anscheinend wieder um geschäftliche Interessen im Rotlichtmilieu.
Die Polizeiermittler brachten später in Erfahrung, dass eine Machtdemonstration von 60 Bandidos einige Tage zuvor im Umfeld der Tabledancebar den Aufmarsch ausgelöst hatte. Das Säbelrasseln der Bandidos hatten die Hells Angels wohl als nicht hinzunehmende Provokation und direkten Angriff auf ihre Interessen im Rotlichtmilieu gewertet. Auffallend ist, dass hauptsächlich die Männer der Brigade 81 aus dem nordöstlichen Umland den Angriffstrupp stellten.
Gegen die Festgenommenen ermittelte die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, der Bildung bewaffneter Gruppen sowie Verstößen gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz. In jener Nacht war es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass die Polizei die drohende Gewalt unterbinden konnte.
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