Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Rocker schon Kilometer vor dem Gerichtsgebäude überprüft wurden. Besucher, die das Gebäude betraten, wurden penibel nach Waffen durchsucht und mussten selbst ihre Schuhe ausziehen. Sogar der Gerichtspräsident konnte sich diesem Prozedere nicht entziehen.
Im Mai 2010 sprach das Landgericht Kaiserslautern sein Urteil. Das Gericht begründete seinen eher milden Spruch damit, dass den Rockern bei ihrer Attacke keine Mordabsichten nachgewiesen werden konnten und die Kammer »nicht davon ausgeht, dass es sich hier um einen von langer Hand geplanten Mordanschlag handelte«. So verurteilte das Gericht Danny A. lediglich wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 7,5 Jahren Haft. Gegen Marcus S. sprach das Gericht nur eine vierjährige Haftstrafe wegen Beihilfe aus. Nach Überzeugung des Gerichtes hatte der dritte, noch flüchtige Hells Angel dem Outlaw-Präsidenten die tödlichen Messerverletzungen zugefügt.
Der flüchtige Haupttäter Björn S., ein Prospect des Angels-Charters Mannheim, stellte sich knapp 2,5 Jahre nach der Tat völlig überraschend den Behörden. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Rocker marschierte am 29.11.2011 gehen elf Uhr vormittags in das deutsche Konsulat in Palma auf Mallorca und gab an, sein »Leben auf der Flucht beenden« zu wollen. In Anwesenheit von Zielfahndern des LKA wurde er vorerst der spanischen Polizei übergeben.
Am 5. Juni 2012 begann der Mordprozess unter wiederum strengsten Sicherheitsvorkehrungen vor dem Landgericht Kaiserslautern. Die Verhandlung begann mit einem Paukenschlag. Björn S. brach nicht nur das als sakrosankt geltende Schweigegelübde der Rocker, er gestand völlig überraschend auch die tödlichen Stiche auf den Präsidenten der Outlaws. Er habe dem Rivalen eine Lektion verpassen wollen, eine Tötungsabsicht stritt er jedoch ab. Während des Kampfes habe er vermutet, dass sein Gegner eine Waffe ziehen wollte, und habe dem zuvorkommen wollen, auch wenn ihm klar gewesen sei, dass dies den Tod des anderen nach sich ziehen konnte. Der Staatsanwalt unterstellte jedoch ein weiteres Motiv für die Tat: Björn S. habe damit gerechnet, dadurch in der Hierarchie der Hells Angels aufzusteigen. Das Urteil erging am 12.7.2012. Landgericht und Staatsanwaltschaft einigten sich auf eine zwöl fj ährige Haftstrafe wegen Totschlags plus Schmerzensgeld in Höhe von 7000 Euro inklusive Zinsen an die Tochter des Opfers. Zum einen sah das Gericht das Mordmerkmal der Heimtücke nicht als erwiesen an, zum anderen konnte es auch die angebliche Notwehrsituation nicht ausschließen.
An dieser oft vergessenen Front des weltweiten Rockerkrieges, Hells Angels vs. Outlaws MC, wurde auch in den europäischen Nachbarländern mit unverminderter Härte weitergekämpft. Im Mai 2011 bargen belgische Polizisten einen Lieferwagen aus dem Zuid-Willemsvaat-Kanal nahe der Stadt Maasmechelen. Offensichtlich hatten Unbekannte beabsichtigt, den Wagen in dem Kanal verschwinden zu lassen. Der führte jedoch zu wenig Wasser, sodass das Vorhaben scheiterte.
Augenzeugen hatten die Polizei auf ein Geschehen rund um das Bikerlokal des Outlaws MC aufmerksam gemacht. Zuerst vernahmen Zeugen des Nachts Schüsse, Spaziergänger beobachteten später einen Mann, der den besagten Lieferwagen in den Kanal schieben und versenken wollte. Der Van wies mehrere Einschusslöcher auf, als Polizisten ihn aus dem Kanal zogen. In seinem Inneren machten die Beamten einen schrecklichen Fund: Im Kofferraum und auf dem Vordersitz lagen drei erschossene Mitglieder des Outlaws MC. Alle drei arbeiteten in dem Bikerlokal der Outlaws. Der Tatort befindet sich im deutsch-niederländisch-belgischen Grenzgebiet, lediglich 30 Kilometer von der offenen deutschen Grenze entfernt. Die Ermittlungen führten die Mordkommission zu den Höllenengeln. Fast ein Jahr nach der Tat wurden drei des Mordes Verdächtige verhaftet. Ein 45-jähriges Angels-Mitglied entzog sich jedoch der irdischen Justiz und beging am 2. Juni 2012 in der belgischen Haftanstalt Hasselt Selbstmord.
9. Kapitel
Berlin, Hauptstadt der Rocker
Jahrzehntelang lag Berlin als Insel von eher symbolischer Bedeutung inmitten der DDR und war schon in verkehrstechnischer Hinsicht nicht unbedingt ein attraktives Ziel für Biker. Das endete mit der Wiedervereinigung und so wendeten sich auch die Biker der immer wichtiger werdenden neuen Bundeshauptstadt zu. Nach den Kämpfen in Norddeutschland entwickelte der bundesweite Rockerkrieg bald auch in Berlin eine besondere Dynamik
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