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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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mittelalterlichen Schule zu verwenden), dann war Cicero der große Lehrmeister der Argumentation und des Disputs (»Dialektik« in der mittelalterlichen Be-grifflichkeit). Wie Vergils – grob gesagt – griechischer Gegenspieler Homer war, so war Ciceros griechisches Pendant Demosthenes. Diese beiden Dialektiker haben die ansonsten heiteren Schultage zahlloser Studenten der griechischen und lateinischen Klassik überschattet. Der junge C. S. Lewis, glücklich und zufrieden in der Sonne homerischer Heldengeschichten oder im sanften Nachmittagslicht des dezent
    erotischen Catull und des vorsichtig präzisen Tacitus, stellt sich schließlich dem drohenden Dunkel: »An den beiden großen Langwei-lern (Demosthenes und Cicero) kam man nicht vorbei. «
    Homer und Vergil bedeuten Kunst, und jeder war zu seiner Zeit
    und an seinem Ort das, was für uns heute gute Filme sind – niemals lästige Pflicht, immer erfrischend, manchmal erhebend. Demosthenes und Cicero bedeuten harte Arbeit und wurden zu Augustinus’ Zeiten als Inbegriff der »Kunst« des Überzeugens gelehrt – das, was man
    heute wohl in einer Journalistenschule lernt. Wenn die Sprache in der Aeneis Metapher ist, heilige Ritualisierung menschlicher Erfahrung, so ist sie in Ciceros Reden praktisches Werkzeug. Ein zweitausend Jahre altes Gedicht kann mit derselben Kraft zu uns sprechen wie zu den Menschen seiner Tage. Von einem zweitausend Jahre alten Leitar-tikel oder einem zweitausend Jahre alten Werbeslogan würden wir

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    das nicht erwarten. Und wir sollten es auch von Cicero nicht erwarten.
    Cicero, im Jahrhundert vor Christus geboren, übte sich zu einer Zeit in seiner Kunst, als das republikanische Rom in all seiner Pracht Männer des öffentlichen Lebens noch willkommen hieß. Augustinus
    liebte Cicero wie die gesamte römische Welt, für die der Orator der zweite Heilige nach Vergil war. (Hieronymus, der mürrische Übersetzer der lateinischen Bibel, wachte eines Nachts schweißgebadet auf: Er hatte geträumt, Christus habe ihn zur Hölle verdammt, weil er
    mehr Ciceronianer als Christ war.) In der Antike maß man der praktischen Verwendung von Worten viel mehr Bedeutung zu, als wir es
    heute tun. Vielleicht, weil man damals den oralen Traditionen prähistorischen Dorflebens näherstand – wie es sich in Nestors Rede an die griechischen Häuptlinge in der Ilias und in Mark Antons Rede über Julius Caesars Leiche so deutlich zeigt –, als das Schicksal eines ganzen Stammes von den Worten eines einzelnen Mannes abhängen
    konnte.
    Für uns ist Ciceros geschmeidige Unterweisung in allen Raffinessen seines Geschäfts unangenehm und langweilig all die vielen Techniken, andere zu überzeugen, so daß sie in unserem Sinne handeln. Für Cicero wäre es die größte Dummheit, »aus dem Herzen zu sprechen«; man soll immer mit Kalkül sprechen: Was möchte ich veranlassen?
    Welche Wünsche hegen meine Zuhörer? Wie kann ich sie dazu brin-
    gen, meinem Willen zu folgen? Wie verschleiere ich meine schwäch-
    sten Argumente? Wie blende ich meine Zuhörer, so daß sie nicht
    mehr unabhängig argumentieren können?
    Die Techniken erfolgreicher Politiker, die Methoden moderner
    Werbung – die gesamte Palette der Überredungskunst findet sich bei Cicero. In unserer Zeit steht ihm wohl Dale Carnegie am nächsten, der erklärte, daß jedes einzelne Wort und jede Geste dazu eingesetzt
    werden kann, zu »gewinnen« und zu »beeinflussen«. Wie empfindlich wir auch auf einen solchen Rat reagieren mögen, in der Antike hatte er seinen Sinn. Man lernte nicht nur, wie man ein Gedicht zur eigenen Zufriedenheit verfaßte oder eine Zeile in einem Brief so formulierte, daß sie einen Freund glücklich machte; es gab eine größere literarische 46
    Aufgabe zu erfüllen in der großen Welt der polis –, zu der alle gebildeten Männer ihren Beitrag leisten mußten, um ihren positiven Einfluß geltend zu machen. Und diese Welt der Politik verlangte die
    Kunst der Überzeugung, wenn man erfolgreich sein wollte. Bei Ausonius verkalkte die klassische Bildung zur reinen Ornamentik. Bei
    Augustinus bleibt sie so lebendig wie in Ciceros Tagen; er verwendet die Rhetorik und nuancierte die Technik Ciceros zeit seines Lebens im Interesse einer neuen Sicht auf die Welt und eines neuen politischen Programms. Dies ist der öffentlich geleistete Beitrag Augustinus’, des römischen Bürgers, zur sterbenden römischen res publica.
    Neben der Rhetorik und der Kunst der Überzeugung gab es

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