Wie die Libelle in der Wasserwaage
diesem Netzwerk ihre eigene Position stärken und sichern müssen. Was die Männer auf der Jagd und im Kampf mit den Muskeln leisten, das leisten sie innerhalb der Gruppe durch Intrigen. Alles nur eine Frage der Biologie.
Mein Kalkül funktionierte ganz hervorragend. Ich nutzte die verbleibenden paar Tage, um Salvatore zu umgarnen und zu betören. Das gefiel dem Gockel in ihm, und weil es ein ausgewachsener Gockel war, verfiel er mir voll und ganz. Wenn doch im Leben immer alles so einfach wäre!
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Als die unvermeidliche Stunde des tränenreichen Abschieds unaufhaltsam näher rückte, verlor er fast den Verstand. Ich spielte die Symphonie des Abschiedsschmerzes in getragenem Moll, und noch ehe ich den Schlussakkord einleiten konnte, sagte er endlich das erlösende „ Stai “ – „Bleib“. Es war geschafft!
Natürlich sträubte ich mich ein wenig, aber nicht allzu sehr. Ich durfte ja jetzt kein Risiko mehr eingehen.
Corinna übergab ich meine Schlüssel und wies sie an, die Dinge, die ich brauchte, zu verpacken und mithilfe einer Spedition nach Italien zu verfrachten. Danach sollte sie die Wohnung auflösen. Das nötige Geld würde ich ihr online überweisen. Sie hielt mich für total durchgeknallt, tat aber letztlich, was ich wollte. Schließlich hatte allein ich über mein Leben zu entscheiden, nicht wahr?
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Jetzt galt es erst einmal, mich neu zu positionieren. Optimal war meine Ausgangslage dafür wirklich nicht. Im Grunde war ich jetzt abhängig von einem dahergelaufenen, fremden Typen. Nicht unbedingt wirtschaftlich, denn ich hatte noch genug Geld auf meinem Konto in Deutschland, aber davon abgesehen war meine Situation recht unsortiert und damit absolut prekär. Ich hatte nicht den geringsten Plan, wie ich weiter vorgehen sollte, aber es würde sich schon finden. Bisher war mir doch noch immer etwas eingefallen.
Als erstes beschloss ich, ein Konto in Italien zu eröffnen und mein Geld aus Deutschland abzuziehen. Meine auf diversen Wegen verdienten Gelder hatte ich nämlich nach und nach auf ein Bankkonto eingezahlt, weil mir das günstiger erschien, als sie zuhause herumliegen zu lassen. Nun hatte sich die Sache allerdings geändert. Was, wenn die Polizei Erkundungen über mich anstellen würde? Dann würden sie doch auch meine finanzielle Situation überprüfen. Auf meinem Konto lag zwar kein Vermögen, aber immerhin ein hübsches Sümmchen. Auf jeden Fall würde man doch fragen, woher eine mittellose Studentin diesen beachtlichen Betrag hätte. Am Ende würden sie mein Konto einfrieren – so nannte man das doch? Und mein ganzes Stammkapital wäre damit zu Eis erstarrt. Alles umsonst. Das durfte ich nicht riskieren!
Doch ein Bankkonto in Italien zu eröffnen ist keine einfache Angelegenheit. Die Italiener sind furchtbar umständlich, kein Wunder, dass sie auf keinen grünen Zweig kommen. Einfach in eine Bank gehen und ein Konto eröffnen, das funktioniert nicht. Für mich als Ausländerin schon gar nicht. Es sei ein bürokratischer Akt, der sich über längere Zeit hinziehen würde, so erklärte man mir. Na prima. Also musste ich mit der Ungewissheit weiterleben, zumindest, bis die Bürokratie sich entschieden hatte, was sie wollte. Wenigstens konnte ich Geld am Automaten abheben. Davon konnte ich leben, mehr aber auch nicht.
Ich zog zu meinem Retter in seine kleine Wohnung über dem Restaurant. Viel Mühe hatte er sich mit ihrer Gestaltung nicht gegeben, und ich merkte auch schnell, warum: Sein Leben bestand im Wesentlichen aus einem Inhalt, und der hieß – Restaurant! Der Tag bestand aus Einkaufen, Saubermachen, Essen vorbereiten, Tische decken und danach aus Kochen, Bedienen und Gäste unterhalten, bis tief in die Nacht hinein. Meine Unterstützung kam ihm mehr als gelegen, womöglich war ich meinerseits einem abgekarteten Spiel aufgesessen. Ganz großartig war das.
Einzig der freie Tag, der Montag, blieb, dann fuhr er mit mir in seinem Cinquecento-Cabrio die atemberaubende Küstenstraße entlang, die Musik laut aufgedreht, der laue Wind um uns herum wehend, die strahlende Sonne, die unbeschreiblichen, phantastischen Ausblicke, neben mir der sexy Latin Lover mit seiner coolen Sonnenbrille. Hey, ich war Grace Kelly!
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Aber diese Hollywood-Träume blieben die einzigen glamourösen Inseln in meinem neuen Leben. Zwar umschmeichelte mich Salvatore mit dem ganzen Repertoire des italienischen Gockels, doch unterschied sich die Realität dramatisch von den schönen Worten. Er war kein besonders
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