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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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andererseits fühlte ich mich geschmeichelt.
    Nach all dem Mist, den ich erlebt hatte, stand mir doch ein bisschen Anerkennung zu, oder? Also ließ ich mich umgarnen und verführen – aber nein, wir hatten nicht gleich Sex, so billig verkaufte ich mich ja nun auch wieder nicht. Wir hatten einen wunderschönen, romantischen Flirt, bei leiser Musik, dem endlosen Sternenhimmel, Milliarden von winzigen Lichtern überall, dem geheimnisvoll dunklen Meer der Nacht und den betörenden Parfums der mediterranen Pflanzen, die uns umgaben. Rosmarin, Thymian, Zitronen, Orangen, Basilikum, Oleander, eine Orgie der Aromen.
    Wow, das gefiel mir!
    *
    Mitten in der Nacht erklomm ich wie berauscht die vierhundert Stufen zu meinem temporären Zuhause. Eine solche Herausforderung hat durchaus eine meditative Wirkung. Mit jeder Stufe werden die Gedanken ein kleines bisschen klarer. Oben angekommen fragte ich mich ernsthaft, wie es nun weitergehen solle. Zurück nach Deutschland? Dort erwarteten mich ja offensichtlich Gespräche mit der Polizei von durchaus ungewissem Ausgang. Tom, der mir nicht mehr vertrauen würde, mich vielleicht sogar hochkant hinausschmeißen würde. Hoch-Tief-Heinz, der, um die Belehrungen durch Tom bereichert, mir vielleicht ebenfalls die Freundschaft kündigen würde. Ein verlorener Drogendealer-Job, denn mein Lieferant saß im Knast. Also keinerlei Einnahmen, im Gegenzug nur ein Studium, das zu neunundneunzig Prozent in die Arbeitslosigkeit führen würde. Was für ein grandioser Bockmist!
    So ging das nicht. Ich musste mir eingestehen, dass meine gesamte Planung, die mir so großartig erschienen war, ins Abseits geführt hatte. Und was jetzt?
    *
    Ich lag wach bis zum Morgengrauen. Meine Gedanken rotierten. In diesem Zustand, wenn der Schlaf nicht so weit entfernt ist, aber doch nicht die Macht gewinnt, eine selige Bewusstlosigkeit herbeizuführen, da kristallisieren sich im Gehirn die eigenartigsten Gedanken heraus. Das Unterbewusstsein hat seine Finger mit im Spiel und spült die erstaunlichsten Erkenntnisse an die Oberfläche, ungebremst und frei in seinem archaischen Überlebenswillen.
    Salvatore, raunte es mir zu. Nomen est omen , so sagten die Römer, und ungefähr zwei Jahrtausende später auch meine Großmutter. Salvatore, das heißt zu Deutsch, der Retter . Der Erlöser. Mein Ritter mit dem flammenden Schwert! Konnte das ein Zufall sein? Ich stand am Abgrund und begegnete einem Salvatore? Nein, denn ich war schon immer davon überzeugt, dass es keine Zufälle im Leben gibt. Alles was passiert hat einen Grund, nichts geschieht einfach so.
    Und die einstweilige Lösung für meine verzwickte Situation lag ganz offensichtlich vor mir und klar auf der Hand: Ich musste mich an Salvatore heranmachen. Dann würde ich erst einmal in Italien bleiben und aus der Ferne beobachten, wie sich die Lage in Deutschland weiter entwickelte.
    Dazu brauchte ich eine geeignete Strategie. Klar war, dass ich meine Absicht nicht so plump zeigen durfte. Vielmehr musste ich es so anlegen, dass Salvatore am Ende glauben würde, das Ganze sei seine eigene Idee gewesen. Eine solche Taktik ist nicht weiter schwierig, die meisten Männer sind ja einfach gestrickt und nehmen für bare Münze, was man ihnen auch nur halbwegs glaubwürdig präsentiert. Es galt lediglich, eine geschickte Mischung aus Angriff und Rückzug abzuspulen, verführerisch und naiv, aber nicht so leicht zu haben. Das funktioniert immer. Bei Hoch-Tief-Heinz war es ja genau das Gleiche gewesen.
    Denn Männer haben seit Urzeiten Kriegergene in sich, sie wollen erobern. Und was sie mühsam erobert haben, das lassen sie so schnell nicht mehr los, weil der Aufwand sich schließlich gelohnt haben muss. Ein ganz simples, genetisches Spiel ist das. Allerdings muss man die Gratwanderung geschickt betreiben, man muss es ihnen zwar schwer machen, aber nicht so schwer, dass sie irgendwann erschöpft kapitulieren. Man muss immer genau im Blick haben, wann es Zeit wird, ihnen ein Bröckchen des ersehnten Erfolges hinzuwerfen. Und immer in der richtigen Dosis. Man muss kein Virtuose sein, um diese Kriegskunst zu beherrschen. Denn wie gesagt, Männer sind recht schlichte Gemüter. Da können sie nichts zu, es liegt nämlich ganz einfach an ihren Genen. Jäger und Kämpfer dürfen nicht zu kompliziert denken. Sie brauchen ein klares, griffiges Konzept. Frauen dagegen beherrschen eher das soziale Ränkespiel, weil sie seit grauer Vorzeit mit Familie und Sippe beschäftig sind und in

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