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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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haben. Wie hätten Sie in frühen Jahren sonst diese beachtliche und steile Karriere vorlegen können? Sie waren, wenn wir richtig informiert sind, als Parteichef von Kronauburg der jüngste Bezirkssekretär des Landes. Sie hielten diese Position über dreißig Jahre. Und heute Nachmittag wird man Sie zum Premierminister ernennen.«
    »Richtig. Ich habe zu meiner Zeit in Kronauburg vieles bewegt. Weg mit dem bürokratischen Filz. Effizienz in der Verwaltung, Arbeitsplätze im agroindustriellen Komplex in Apoldasch, Optimierung der Versorgungs- und Ernährungslage und, und, und. Mit der Stadt Kronauburg ging es aufwärts. Wie im ganzen Bezirk. Neue Schulen nicht zu vergessen. Selbst in dem hintersten Bergdorf. Kinder sind unsere Zukunft. Das Motto stammte damals von meiner Wenigkeit. Das sollten und können Sie jederzeit nachrecherchieren. Der langen Rede Sinn: Ich war, ohne mich dessen rühmen zu wollen, bei den Leuten beliebt. Das ist nicht zuletzt der Grund, weshalb sich die Staatsführung scheute, mich gänzlich auszuschalten. Man hielt meine Flamme klein, doch man brachte sie nicht zum Erlöschen.«
    Als Fritz Hofmann zustimmend nickte und auch ich einen Anflug von Verständnis signalisierte, wich Stephanescus anfängliche Katerstimmung einer selbstlaufenden Redseligkeit. Er stand auf, trat an den Barschrank und holte ein Glas und eine angebrochene Flasche heraus. Wir winkten ab. Als Stephanescu seinen ersten Schluck nahm, wusste ich, wir hatten den Gegner dort, wo wir ihn haben wollten. Doktor Stephanescu lächelte. Er wähnte sich auf dickem Eis.
    »Konjaki Napoleon. Nicht der beste Tropfen, aber er vertreibt die Geister der Vergangenheit. Zugegeben, Geister, denen auch ich ausgesetzt war. Also weiter. Meine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Bezirks Kronauburg sprach sich selbstverständlich in der Hauptstadt herum. Vor allem nach der Hochwasserkatastrophe. Der Fluss Tirnava hatte weite Landstriche verwüstet. Als ich ein Staudammprojekt und Wasserkraftwerk in kürzester Zeit in die Tat umsetzte und damit die Elektrifizierung des Bezirks selbst in den entlegensten Bergregionen sicherte, gewann ich in der Partei an Einfluss. Man schlug mich sogar für den Posten des Innenministers vor. Doch mit dem Aufstieg des Conducators kippte die Stimmung. Er reklamierte das Staudammprojekt für sich und ließ sich zur Einweihung mit dem Hubschrauber einfliegen und vom jubelnden Volk feiern. Danach warf man mir nur noch Steine in den Weg. Straßen, Brücken, Bauprojekte wurden vom Zentralrat nicht mehr bewilligt. Der Geldhahn wurde langsam zugedreht. Und wissen Sie weshalb? Den gigantischen Palast des Conducators, ganz im Zuckerbäckerstil, für den er das halbe Zentrum unseres wunderbaren Paris des Ostens hat abreißen lassen, werden Sie nicht übersehen haben. Da ahnen Sie, wo das Geld, das dem Volk zustand, verpulvert wurde. Ich war immer gegen diesen Protzbau. Aber, das dürfen Sie mir abnehmen, die Stimme der Vernunft zählte nicht im Wahn unserer Diktatur. Der Einzelne war machtlos. Jede Opposition war ausgeschaltet. Der Conducator und seine unsägliche Gattin duldeten niemanden neben sich.«
    »Soll das heißen, Sie und der Conducator waren Gegner?« »Das wäre mir, offen gesagt, dann doch zu viel der Ehre.«
    Stephanescu schenkte sich ein zweites Glas ein. »Um ehrlich zu sein, der Conducator war mir vertraut. Natürlich nicht in der Zeit der Goldenen Epoche. Da war es infolge seines Größenwahns längst zwischen uns zum Bruch gekommen. Ich lernte ihn in meinen Studentenjahren kennen. Damals deutete sich seine, wie soll ich sagen, unzivilisierte Niveaulosigkeit bereits an. Sein übler Charakter blieb mir nicht verborgen, war aber noch nicht allzu ausgeprägt. Das Böse in ihm, wenn Sie mich fragen, weckte erst seine Gattin Elena. Eine Vertraulichkeit am Rande. Speziell für die Leser des Time-Magazins. Als der Conducator noch ein schlichter Parteifunktionär war, nannten wir ihn Koka. Er gierte förmlich nach amerikanischer Coca-Cola. Überall goss er sich Cola rein. In Rotwein, Schampus, in alles. Ein schrecklicher Kerl. Im Grunde schon immer gewesen. Aber ich will mich nicht reinwaschen. Und ich muss zu meiner Schuld eingestehen, ich war in die Politik gegangen, um Gutes zu bewirken und konnte am Ende gerade das Schlimmste verhindern. Und ich darf wohl sagen, ich teile damit das Schicksal von vielen in unserem Land. Das können Sie ruhig zitieren.«
    »Wenn sie schon von Schuld reden. Herr Doktor

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