Wie die Madonna auf den Mond kam
Stephanescus Bett eingebaut war, zeigten die Zeit ein Uhr achtundzwanzig an, als Fritz Hofmann kam, um die Szenerie zu arrangieren. Ich sorgte für die Requisiten, stellte ein Porträt des Conducators auf die Nachtkonsole und schüttelte die Flasche mit dem Schaumwein. Buba enthüllte ihre weiblichen Reize, nicht über das Nötigste hinaus und ohne Anflug von Scham. Mit dem Wissen der leichten Verwechselbarkeit von Sein und Schein setzte sie sich rittlings auf Stephanescu und lehnte sich mit einer Geste ekstatischer Verzückung zurück. Mit der Bemerkung »Okay. That's perfect« drückte Fritz ein halbes Dutzend Mal auf den Auslöser seiner Kamera. Bei den grellen Blitzen zuckte Stephanescu nur unmerklich mit den Augenwinkeln.
Während Buba und ich vor Erschöpfung in Fritz Hofmanns Zimmer im Interconti keinen Schlaf fanden, war es der Nachtredaktion der Zeitung Stimme der Wahrheit ein Bedürfnis, dem internationalen Pressefotografen hilfreich zur Seite zu stehen. Obwohl die technischen Möglichkeiten des hauseigenen Fotolabors begrenzt waren, entwickelte Hofmann den Film zu brauchbaren Negativen und stellte einige Papierabzüge her, die ihn äußerst zufrieden stimmten. Dann ließ er den Chefredakteur, der in einem mutigen Kommentar seines Blattes nicht verhehlt hatte, dass er als künftigen Staatspräsidenten nicht den Opportunisten Stephanescu, wie er ihn nannte, sondern den Ingenieur Ion I1iescu favorisierte, aus seinem Bett klingeln. Der honorige Zeitungs mann, dem es widerstrebte, überflüssige Worte zu verlieren, sagte beim Blick auf die Fotos nur: »Professionell. Das wird er nicht überstehen. Übermorgen. Seite eins. Dann zünden wir die Bombe.«
Buba befand sich auf dem Weg zu ihrem Onkel Dimitru, als bewaffnete Milizen mich und Fritz am Montag, dem 26. Dezember kurz vor halb elf morgens, im Aufzug des Athenee Palace zur Suite im obersten Stock führten. Doktor Stefan Stephanescu öffnete die Tür. Er war allein und wirkte verkatert. Mürrisch bot er uns einen Platz an und gab sich kaum Mühe, seine Übellaunigkeit zu verbergen. »Wo ist Ihre italienische Kollegin?«
Ich zuckte nur mit den Schultern.
»Eine Frau, Italien und Pünktlichkeit«, meinte Fritz. »Forget it. Angelique ist wohl diese Nacht etwas spät in die Federn gekommen.«
»Beim Frühstück ist sie jedenfalls nicht erschienen«, ergänzte ich. »Unser Interview sollten wir wohl auch ohne sie hinbekommen.«
»Dann legen Sie los. Aber nicht allzu lange. Meine Zeit ist wider Erwarten knapp bemessen.«
Fritz Hofmann ersparte Stephanescu jede weitere Zeitverschwendung. »Herr Doktor Stephanescu, Ihre Gegner werfen Ihnen Ihre politische Vergangenheit vor. Blicken wir zurück. Während der sozialistischen Aufbauphase waren Sie für die Kollektivierung der Landwirtschaft in Walachien zuständig. Mit harter Hand, wie man sagt, hätten Sie aufständische Bauern niedergeschlagen. Heute führen Sie die Revolution des Volkes an. Wie verträgt sich das?«
»Gut, dass Sie das fragen. Es erlaubt mir, einiges klarzustellen. Ja, ich war ein überzeugter Anhänger des Kollektivgedankens. Ohne Frage. Das werde ich nie verleugnen. Aber haben Sie eine Ahnung, wie bitterarm die Kleinbauern nach dem Weltkrieg waren? Haben Sie die himmelschreiende Not der Mütter gesehen? Haben Sie in die Augen der hungrigen Kinder geblickt? Es war unsere Pflicht, etwas dagegen zu tun. Sozialismus! Reichtum für alle! Jawohl, daran haben wir in der Partei geglaubt. Ich selbst habe den Marx doch nachgebetet. Aber ich habe in Walachien immer auf die Macht des Wortes gesetzt. Überzeugungsarbeit, Einsicht in die Notwendigkeit, ideologische Aufklärung. Nennen Sie es von mir aus auch Propaganda. Doch die se Arbeit war wichtig und rich tig. Das Problem war Präsident Gheorghiu-Dej. Er hat sich dem sowjetischen Druck aus Moskau gebeugt. Für meinen Geschmack zu sehr. Kleiner Stalin nannte man ihn früher. Das nur zu Ihrer Information. Und es stimmt, es gab diese unschönen Säuberungsaktionen. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Ich habe mich mit diesem Satz übrigens nie anfreunden können. Aber was sollte ich tun? Ich war jung. Ein Idealist, wenn Sie so wollen. Frisch von der Universität, gerade promoviert in der Wirtschaftswissenschaft, aber politisch noch grün hinter den Ohren. Vor allem aber ohne einflussreiche Gesinnungsfreunde. Aber, wie Sie wissen, nur gemeinsam ist man stark.«
»Ich verstehe nicht ganz. An politischer Protektion scheint es Ihnen nicht gemangelt zu
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