Wie die Tiere
das war dann im Grunde der Anruf, mit dem die Katastrophe erst so richtig ins Rollen gekommen ist. Schon interessant, wie einem das Telefon oft die ganze Welt auf den Kopf stellt. Das muss gar nicht so dramatisch wie beim Schmalzl sein, der Anruf selber war dieses Mal sogar ganz harmlos. Da hat der Brenner gleich gesehen, was für eine intelligente Frau die Journalistin war. Weil da gibt es ja die Leute, die schreien in das Telefon hinein, dreimal so laut, wie sie normal reden. Früher haben die Leute noch kein rechtes Vertrauen in die schwarzen Telefone gehabt, und wahrscheinlich deshalb Geschrei, und heute natürlich mit den Handys, wo der Mensch in der Öffentlichkeit das Intime besprechen kann.
Aber die Journalistin hat jetzt in das Telefon gerade nicht hineingeschrien, sondern leiser geredet als vorher, fast schon normale Zimmerlautstärke. Und sehr zärtlich, mit ihrer besten Freundin, der Conny. Und interessant. Obwohl der Brenner in dem Moment ja noch gar nicht gewusst hat, dass die Conny auch für ihn einmal so eine Art beste Freundin wird, hat er in dem Moment endgültig gespürt, dass es ein Frauenfall wird, quasi Himmelfahrtskommando.
Aber schön der Reihe nach.
Zwei Minuten hat das Telefonat gedauert, aber dem Brenner ist es vorgekommen wie eine halbe Stunde. Jetzt hat er sich gesagt, noch eine halbe Stunde verliere ich nicht, und ist ihrem tiefen Luftholen mit seiner Frage in die Quere gekommen:
«Haben Sie eine Vorstellung, wer diese Hundekekse ausstreut?»
Möchte man glauben, eine präzise Frage, kann man einfach beantworten, mit einem Satz, oder meinetwegen sollen es vier, fünf Sätze sein. Aber ich glaube fast, sie hat den Brenner für ein bisschen blöd gehalten, weil sie es ihm gar so genau erklärt hat: Wien Großstadt, zu viele alte Leute mit zu vielen Hunden in den Parks, zu wenig Platz für die Kinder, dann oft bürgerkriegsähnliche Kämpfe zwischen Hundebesitzern und Kinderbesitzern, Hundebesitzer natürlich bei den bürgerkriegsähnlichen Tätigkeiten sehr im Vorteil, weil Hund an der Leine immer bedrohlicher als ein Kleinkind, das noch nicht beißen kann.
Nicht beißen, aber schlucken. Und siehst du, da ist sie doch noch bei einem hervorragenden Argument gelandet:
«Eltern scheiden von vornherein aus. Bei uns herrscht nämlich die allergrößte Panik, dass einmal ein kleines Kind so ein Hundekeks findet und verschluckt.»
Wie der Brenner das zum ersten Mal gehört hat, ist es für ihn ein interessantes Argument gewesen. Aber wie er es dann eine Stunde später zum hundertsten Mal gehört hat, war es schon weniger interessant. Weil der Clubabend hat dann angefangen, immer mehr Mütter und Kinder sind eingetrudelt, Väter auch, aber nicht viele, vielleicht dass die anderen inzwischen im
White Dog
gewartet haben. Vielleicht waren die Früchtchen-Mütter deshalb so gegen den Schmalzl. Aber ich weiß es nicht mit Sicherheit, vielleicht waren die Väter auch nur so fleißig im Büro.
Der Brenner hat sowieso andere Sorgen gehabt. Weil da hätte man glauben können, er selber ist der Hundekeksstreuer, so zornig haben die Mütter immer wieder versucht, ihm verständlich zu machen, wie gefährlich die Hundekekse für die kleinen Kinder sind. Ich glaube, wenn der Mensch sich sehr für das Pädagogische interessiert, tendiert er dazu, dass er dir alles dreimal erklärt. Das war aber nicht der Grund, dass dem Brenner am nächsten Tag so fürchterlich der Kopf geschwirrt ist.
Richtig böse auf ihn geworden sind die Mütter ja erst, wie er die Hartwig erwähnt hat. Zuerst hat er sich gar nicht ausgekannt. Aber dann hat er begriffen, warum sie in ihrer Wut über ihn herfallen. Die Hartwig hat Pläne mit dem Flakturm gehabt, das glaubst du nicht. Die wollte mit ihrem Vermögen den Flakturm in ein Tierheim umbauen. Das musst du dir einmal vorstellen!
«Aber der Herr Brenner kann doch nichts dafür», hat auf einmal jemand gesagt, wie sie ihn so in die Zange genommen haben, als wäre er schuld an den Hartwig-Plänen. Und siehst du, das ist die Conny gewesen, die hat ihn in Schutz genommen. Das war einmal eine sensible Person, die hat das gemerkt, dass der Brenner da unschuldig niedergeschrien wird. Und ein Lächeln hat die gehabt, ich sage nur, eine hauchdünne Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen. Mein lieber Schwan, mit diesem halben Millimeter hat sie den Brenner wirklich am falschen Fuß erwischt. Aber das war auch nicht der Grund, dass ihm am nächsten Tag so fürchterlich der Kopf
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