Wie ein stummer Schrei
griff erschrocken nach der Hand ihres Großvaters. Trey wandte sich zu ihr um und sagte etwas, doch sie konnte ihn nicht verstehen, da die Reporter lautstark Antworten auf ihre Fragen verlangten. Unablässig hielten sie ihre Kameras auf Olivia gerichtet und versuchten, sich gegenseitig zur Seite zu drängen, weil jeder das beste Bild von ihr bekommen wollte.
Sie begann zu zittern.
“Trey …”
Er hörte die Angst in ihrer Stimme und wünschte die Medien zur Hölle, die nie Rücksicht nehmen konnten.
“Keine Angst”, sagte er rasch. “Ich werde sie schon wegschicken.”
“Tu doch was”, flüsterte sie.
Trey öffnete die Fahrertür einen Spaltbreit, jemand brüllte Olivias Namen.
“Um Gottes willen, Trey!” flehte sie ihn an.
Wutentbrannt stieß er die Tür auf und hielt seine Dienstmarke hoch, während er ausstieg. “Sofort zurück!” fuhr er die Menge an. “Wenn Sie sich nicht auf der Stelle von diesem Wagen entfernen, lasse ich Sie alle verhaften.”
Die Journalisten und Kameraleute gingen daraufhin zwar tatsächlich ein wenig auf Abstand, aber jeder von ihnen versuchte weiter, irgendetwas in Wort oder Bild festzuhalten, was man in den Abendnachrichten verwenden konnte. Der Mann mit dem Plakat wurde nach hinten abgedrängt, bis nur noch das Schild über der Menge zu sehen war.
In diesem Moment fuhren zwei Polizeiwagen vor und hielten neben Treys Fahrzeug an. Vier uniformierte Beamte stiegen aus und postierten sich vor den Reportern.
“Komm, Livvie”, sagte Trey zu ihr, als er die Wagentür öffnete und ihr heraushalf. “Es ist vorbei.”
Ihre Finger umschlossen fest sein Handgelenk. “Nichts ist vorbei”, flüsterte sie. “Mein Gott, siehst du das denn nicht? Es wird niemals vorbei sein.”
Marcus war ebenfalls ausgestiegen, hatte von dem vertrauteren Tonfall aber wohl nichts mitbekommen. “Es ist alles in Ordnung, Darling”, erklärte er auf dem Weg zum Eingang. “Diese Reporter machen nur ihre Arbeit, sie können dir nicht wehtun.”
Im Gebäude zeigte Trey ihnen, wo sie warten konnten, um vor den neugierigen Blicken und den Kameras geschützt zu sein, dann ging er in einen Nebenraum.
“Das war schrecklich”, murmelte Olivia. “Warum tun sie uns das an?”
“Entspann dich, Sweetheart”, gab Marcus zurück. “Das ist nichts im Vergleich zu damals.”
“Zu damals? Du meinst, als Mom und Daddy ermordet wurden? Als man mich entführt hatte?”
Marcus nickte nachdenklich. “Das hier ist nicht annähernd so schlimm. Gleich wird man uns eine Speichelprobe entnehmen, dann hat die Polizei ihre kostbare DNS, und wir kümmern uns wieder um unsere Angelegenheiten. Alles andere ist Sache der Polizei, aber es ist nicht länger unser Problem.”
Olivia sah ihn an und fühlte, wie das Funkeln in seinen Augen sie aufbaute. “Du bist dir wirklich sicher? Was mich angeht, meine ich.”
“Ja, Darling. Ich könnte mir nicht sicherer sein.”
In diesem Moment kam Trey zu ihnen zurück.
“Man ist jetzt so weit”, sagte er und nickte Marcus zu. “Hier entlang, Sir.”
Kaum tauchten die Streifenwagen auf, zog sich Dennis Rawlins in den Hintergrund zurück. Er konnte es sich diesmal nicht leisten, verhaftet zu werden, denn heute war er in göttlicher Mission unterwegs, und er durfte nicht scheitern.
Gott hatte ihm gesagt, seine Schuld würde ihm vergeben, wenn er Buße tat. Gott war auch der Einzige, der wusste, welche Schuld tagaus tagein auf den Schultern dieses Mannes lastete. Dennis konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal zu schlafen versucht hatte, ohne von den schrecklichen Bildern verfolgt zu werden, deren Urheber er war. Dass seine Bombe eine Abtreibungsklinik hatte treffen sollen, änderte nichts an dem Tod von sieben unschuldigen Kindern, derentwegen er nun büßen musste.
Nach dem Anschlag trug er sich wochenlang mit Selbstmordgedanken, weil er nicht länger die Bilder der kleinen, blutverschmierten Leiber sehen wollte, die immer auftauchten, sobald er die Augen schloss. Woher hätte er denn wissen sollen, dass ausgerechnet in dem Moment ein Bus der Kirche genau vor der Klinik mit einer Panne liegen bleiben würde? Er versuchte sich einzureden, Gott hätte den Bus nicht gestoppt, wenn er den Tod dieser Kinder nicht gewollt hätte. Doch Dennis besaß noch genug Vernunft, um einzusehen, dass Gott sich wohl nicht um defekte Motoren kümmerte. Er, Dennis, hatte die Katastrophe herbeigeführt, und er musste nun mit den Konsequenzen leben.
Aber das würde
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