Wie eine Rose im Morgentau
Gesicht. „Damals haben deine Augen auch so geleuchtet, als dein Dad dir ein Pony gekauft hat und du zum ersten Mal reiten durftest. Du bist während des Frühstücks bei uns hereingeplatzt, um uns davon zu erzählen.“
„Und wurde deswegen ausgeschimpft“, erinnerte sie sich. Ihr Vater hatte sich bei seinen Arbeitgebern vielmals entschuldigt. Damals war ihr zum ersten Mal bewusst geworden, dass zwischen den Donovans und ihrer eigenen Familie ein sozialer Unterschied bestand, obwohl die Donovans dies nie betont hatten.
„Reitest du immer noch?“, wollte Bryn wissen.
„Schon seit Jahren nicht mehr.“
„Ich halte mir ein Reitpferd, nicht weit von hier. Auf dem Hof dort werden sie sicher auch eines für dich finden, falls du Interesse hast.“
„Mal sehen. Allerdings wartet hier sehr viel Arbeit auf mich.“
Er strich mit dem Handrücken über ihre Wange. „Du kannst doch nicht ununterbrochen arbeiten. Wir haben eine Historikerin engagiert, keine Sklavin.“
Obwohl ihr Herz bei seiner kleinen Berührung schneller schlug, gab sie sich gelassen. „Als Sklavin würde ich sicher auch nicht so viel verdienen. Das Honorar ist mehr als großzügig.“
„Meine Mutter ist überzeugt, dass du es wert bist.“
„Das bin ich auch.“ Herausfordernd hob sie ihr Kinn. Sie würde ihm schon zeigen, dass sie jeden Cent wert war.
Sein Lachen zauberte ein Glitzern in seine Augen. „Dein Temperament hast du jedenfalls nicht verloren. Zweifellos bist du es wert. Ich vertrau dem Urteil meiner Mutter.“
„Ich hatte allerdings das Gefühl, dass du gewisse Vorbehalte hast.“
„Die nichts mit deiner Fähigkeit zu tun haben.“
„Womit dann …“, begann sie, wurde aber von Pearl unterbrochen, die gerade eintrat und sie zum Nachmittagskaffee auf die Terrasse einlud.
Als sie ein paar Minuten später draußen Platz genommen hatten, erklärte Rachel: „Es wäre besser, wenn die Unterlagen richtig archiviert und gesichert in säurefreien Umschlägen und Kartons aufgehoben würden. Wenn welche da sind, könnte ich das während meiner Arbeit gleich mit erledigen.“
„Kauf dir einfach, was du brauchst“, entgegnete Bryn.
„Bei uns im Ort bekommst du aber nicht alles“, warf Pearl ein. „Da müsstest du schon in die Stadt fahren. Ich habe dir doch gesagt, dass in der Garage ein Wagen steht, den du benutzen kannst, nicht wahr?“
„Ja.“ Dies war noch ein zusätzlicher Anreiz für Rachel gewesen, den Job anzunehmen, da sie auf diese Weise selbst noch keinen eigenen Wagen kaufen musste.
„Hast du denn einen Führerschein?“, wollte Bryn wissen.
Rachel nickte. „Aber ich muss mich erst wieder an den Linksverkehr gewöhnen.“
„Dann solltest du besser mitfahren“, sagte Bryn zu seiner Mutter und erklärte wenig später, dass er gehen müsse.
Das Haus erschien Rachel sofort kälter und leerer ohne seine lebenssprühende Gegenwart.
Nachdem Pearl das Thema bis zum Ende der Woche nicht mehr angeschnitten hatte, fragte Rachel am Freitag, ob es möglich sei, in die Stadt zu fahren.
„Vermutlich willst du nicht allein fahren, oder?“, fragte Pearl.
Rachel wollte schon sagen, dass sie schon zurechtkäme, als ihr einfiel, dass Bryn sich Sorgen machte, weil seine Mutter kaum noch aus dem Haus kam.
Die alte Dame hatte ihr Zögern offenbar missverstanden, denn sie fügte schnell hinzu: „Aber wenn du dich unsicher fühlst, komme ich natürlich mit.“
Der rote Sportwagen, mit dem Pearl früher so gern gefahren war, stand nicht mehr in der Garage, stattdessen eine gedrungene Limousine.
In der Stadt lenkte Pearl sie zu dem Parkplatz, der zum Bürogebäude der Donovans gehörte.
Während des Einkaufs schien die ältere Frau sich unbehaglich zu fühlen und wich nicht von Rachels Seite. Nachdem sie die größeren Einkäufe erledigt hatten und Rachel vorschlug, einen Imbiss in einem der Cafés einzunehmen, zögerte Pearl einen Moment, ehe sie zustimmte. Trotzdem sah sie sich ab und zu ein wenig verwirrt um, als sei sie es nicht gewohnt, so viele Menschen an einem Ort zu sehen.
Kaffee und Kuchen schienen ihre Anspannung ein bisschen zu lösen. Als sie später ihre Einkäufe im Wagen verstauten, schaute sie zu dem hochaufragenden Bürokomplex von Donovan Industries. „Wenn wir schon hier sind, könnten wir doch bei Bryn vorbeischauen.“
„Er wird vielleicht zu beschäftigt sein.“ Rachel war sich nicht sicher, ob es Bryn passte, während der Arbeitszeit gestört zu werden.
„Wir müssen ja nicht lange
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