Wie eine Rose im Morgentau
machen“, sagte Rachel. „Du – oder deine Mutter –, ihr zahlt ja dafür, und nichts wird ohne eure Zustimmung erscheinen.“
Er lächelte verhalten. „Ich bin sicher, dass wir auf deine Diskretion bauen können, Rachel. Aber ich mache mir um meine Mutter Sorgen. Sie ist immer Feuer und Flamme, wenn sie etwas Neues angehen kann. Sollte sie allerdings erschöpft wirken, würde ich es sehr schätzen, wenn du mich diskret informierst.“
Vor vielen Jahren hätte sie blind jeden seiner Wünsche erfüllt. Aber der Gedanke, Pearl in den Rücken zu fallen, behagte ihr nicht. „Falls mir etwas Besorgniserregendes auffällt“, entgegnete sie vorsichtig, „tue ich natürlich mein Bestes.“
Ihm war nicht entgangen, dass sie ausgewichen war. „Sie ist nicht so stark, wie sie sich gibt.“
„Wenn du glaubst, sie braucht ein Kindermädchen …“
Bryn lachte auf. „Sie würde mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, würde ich ihr diesen Vorschlag machen.“
„Da wird sie sich schwertun“, gab Rachel trocken zurück, während ihr Blick über die große muskulöse Gestalt schweifte, ehe sie Bryn wieder ins Gesicht sah.
Sein Mundwinkel hob sich, und in seinen Augen schimmerte ein schwacher Glanz auf. „Ich wollte damit nicht sagen, dass du zusätzlich noch als Kindermädchen fungieren sollst. Trotzdem ist es gut, dass sie nun jemanden im Haus hat.“ Er hielt inne. „Welchen Scanner-Drucker brauchst du denn?“
„Ein gutes OCR-Programm. Es muss Dokumente lesen können.“ Sie gab ihm Fabrikat und Model ihres Computers. Schließlich öffnete er die Tür, zögerte jedoch und beugte sich dann zu ihr hinab, um ihr einen leichten Kuss auf die Wange zu geben. „Gute Nacht, Rachel.“
Nachdem die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, blieb sie noch einen Augenblick stehen. Noch immer spürte sie die Wärme seiner Lippen auf ihrer Haut. Dann gab sie sich einen Ruck, wandte sich ab und sah, dass Pearl am Ende des Flurs gerade aus der Küche kam.
„Was wollte Bryn denn?“, fragte die ältere Frau.
„Ach, es war wegen des Scanners“, meinte Rachel und fügte hinzu: „Und er meinte, er sei froh, dass du jetzt jemanden im Haus hast.“
„Er macht sich viel zu viel Sorgen. Mir gefällt es hier sehr, und ich beabsichtige zu bleiben, bis sie mich mit den Füßen voran hinaustragen. Oder bis Bryn mit einer eigenen Familie hier einzieht und sie wollen, dass ich gehe.“
„Er wird sicher nicht wollen, dass du dann ausziehst.“
„Aber seine Frau vielleicht. Und ich möglicherweise auch.“ Fast wehmütig setzte Pearl hinzu: „Falls es jemals so weit kommt.“ Bis dahin bin ich längst wieder verschwunden, dachte Rachel.
Außerdem spielte es für sie sowieso keine Rolle.
2. KAPITEL
Als Bryn zurückfuhr, war er seltsam unzufrieden mit sich. Zumindest hatte er den Vorfall von früher zur Sprache gebracht, reinen Tisch zwischen Rachel und sich gemacht und sein Gewissen erleichtert. Seit sie sich am Busbahnhof wiedergesehen hatten, spürte er, wie zurückhaltend sie ihm gegenüber war. Auch wenn sie behauptete, nicht mehr an ihr letztes Treffen vor vielen Jahren gedacht zu haben, glaubte er ihr nicht. Ihre letzte spöttische Bemerkung hatte sie verraten. „Damit hast du es ein bisschen übertrieben, meine Liebe“, murmelte er.
Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der linkisch wirkenden Unschuld, die manchmal in seinen Träumen erschien. Und es ärgerte ihn, dass sie behauptete, den Vorfall vergessen zu haben. Fast war er versucht gewesen, süße Vergeltung von ihrem wunderschönen Mund einzufordern, obwohl der ihn verspottete.
Stattdessen hatte er die unwillkommene Medizin wie ein Mann geschluckt, weil sie ihm zu recht verabreicht worden war.
Es faszinierte und verwirrte ihn, wie sehr sich die Rachel Moore von früher verwandelt hatte. Trotzdem schimmerte ab und zu noch ein wenig von dem leidenschaftlichen, unkomplizierten Mädchen durch und weckte in ihm den Wunsch, tiefer nachzuforschen, wie sehr die kühl reservierte erwachsene Rachel sich wirklich verändert hatte.
Als er einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett warf, wurde ihm erst bewusst, dass er später losgefahren war als geplant. Er hatte sich in letzter Zeit oft mit Kinzi Broadbent getroffen und sich auch für diesen Tag lose mit ihr verabredet. Doch jetzt verspürte er nicht mehr den Wunsch, die rothaarige Schönheit zu sehen. Daher fuhr er nach Hause und rief sie dann an, um ihr zu erklären, dass er bei seiner Mutter gewesen und
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